Wiener Neustadt / Wien - Als die Polizei Ende Juli 2013 acht Männer unter dem Vorwurf festnahm, Mitglieder eines Schlepperringes zu sein, war die Aufregung groß. Denn vier der Inhaftierten, denen - laut damaliger Aussendung des Bundeskriminalamts - "durch Schleppungen von mindestens 300 Personen, vorwiegend aus Pakistan, ein Umsatz von mindestens drei Millionen Euro" nachweisbar sei, hatten zuletzt im Wiener Servitenkloster gewohnt.

Damit waren sie Mitstreiter jener Flüchtlinge, die seit Herbst 2012 in der Votivkirche und im Servitenkloster auf Missstände im Asylwesen aufmerksam machten. Bei der Caritas, die die Betreuung im Kloster innehatte, zeigte man sich „bestürzt“.

Nun, siebeneinhalb Monate später, startet am Landesgericht Wiener Neustadt der für 14 Verhandlungstage bis Mai anberaumte Prozess gegen die acht der Schlepperei Verdächtigten. Sechs von ihnen werden Richterin Petra Harbich und den Schöffen heute, Montag, direkt aus der U-Haft vorgeführt. Dort saßen die Männer, selber überwiegend Asylwerber, seit ihrer Festnahme. Nur zwei Beschuldigte konnten den Prozessbeginn auf freiem Fuß abwarten.

Allen acht wird vorgeworfen, daran beteiligt gewesen zu sein, zwischen Ende März und Ende Juli 2013 insgesamt 278 Menschen, vorwiegend aus Pakistan, nach Österreich und in die EU zu bringen. Dadurch hätten sich die zwischen 19 und 39 Jahre alten Männer der Schlepperei laut Paragraf 114 Fremdenpolizeigesetz schuldig gemacht - gewerbsmäßig sowie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, was eine Strafandrohung von einem bis zu zehn Jahren nach sich zieht.

Am Freitag kritisierte dies Michael Genner, Obmann der NGO Asyl in Not: Als Menschen, "die aus schrecklichen Situationen geflüchtet sind und anderen geholfen haben, der Gefahr in ihren Heimatländern zu entgehen", hätten die Beschuldigten in "Notwehr" gehandelt, sagte er.  

Im Freien genächtigt

Polizei und Staatsanwaltschaft hingehen gehen vom Vorliegen schwerer Verbrechen aus: Die Schlepperorganisation habe tausende Transporte über die sogenannte Balkan-Route durchgeführt. Den Beschuldigten sei die Rolle zugekommen, die Geschleppten in und durch Österreich zu begleiten. Im Fall der Durchreise hätten sie die Flüchtlinge betreut und untergebracht im Freien - Prater, Donauinsel, Roßauer Lände - oder auch in den eigenen Asylwerberunterkünften.  

An dieser Stelle kommt wieder das Servitenkloster ins Spiel, wo Geschleppte genächtigt haben sollen. Die Rede ist von einem Raum, der als Moschee fungiert habe.

Die der Anklage zugrunde liegenden Erkenntnisse basieren in weiten Teilen auf Berichten der ungarischen Polizei. So soll jede Asien-Europa-Fahrt insgesamt zwischen 6500 und 10.000 Euro gekostet haben. Mit 278 multipliziert, kommt man den laut Bundeskriminalamt drei Millionen Euro Umsatz nahe. Die Beschuldigten selbst sollen davon nur einen Bruchteil bekommen haben. (Irene Brickner, DER STANDARD, 16.3.2014)