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Der Pisa-Test sollte auf der Tafel bleiben: Bildungspolitik kann nicht auf nationaler Ebene allein betrieben werden.

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Heidi Schrodt: Österreich hat keine Fehlerkultur.

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Die Bildungsministerin hat nicht nur die Testungen der Bildungsstandards ausgesetzt, sondern auch die Teilnahme am nächsten Durchgang der internationalen Bildungsvergleichsstudien Pisa und TIMSS. Folge eines Datenlecks auf einem rumänischen Server? Sparmaßnahmen? Oder ein vernünftiger Schritt angesichts überhandnehmender Überprüfungen, die den LehrerInnen immer weniger Zeit für ihre Kerntätigkeiten lassen? Von allem etwas.

Zur Erinnerung: Internationale Bildungsvergleichsstudien wie Pisa oder die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" haben uns erstmals vor Augen geführt, wie es um die "gute österreichische Schule" wirklich steht. Gar nicht gut, sondern sehr mittelmäßig, lautet der Befund, und was den Zusammenhang von Bildung und sozialer Herkunft betrifft, stehen wir sogar ganz schlecht da. Österreich nimmt inzwischen an weiteren internationalen Bildungsvergleichsstudien teil. Dass das Drumherum um die Veröffentlichung der jeweiligen Ergebnisse hierzulande den Charakter eines sportlichen Wettbewerbs angenommen hat, samt dem geradezu hysterischen Getue um die Rankings, liegt nicht an der Sache selbst, sondern am spezifisch österreichischen Umgang damit.

Auf nationaler Ebene zeigt sich dasselbe wie auf schulischer Ebene: Uns fehlt sowohl eine Fehlerkultur als auch ein professioneller Umgang mit Feedback. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich seit 2000 wenig verbessert hat und dass die soziale Schieflage so ausgeprägt ist wie kaum anderswo? Gerade deshalb aber brauchen wir diese internationalen Korrektive. Sie sind unverzichtbar, nicht zuletzt, weil sie für die österreichische Bildungsforschung wichtige Daten liefern - Pisa etwa für die Grundkompetenzen unserer SchülerInnen im internationalen Vergleich. Auch ein einmaliges Ausklinken hätte Folgen, da die Daten nur im Längsschnitt aussagekräftig sind. Schließlich: Da Bildung weltweit eines der zentralen Zukunftsthemen ist, wird wohl niemand ernsthaft behaupten, Bildungspolitik könne heute noch vorrangig auf nationaler Ebene gemacht werden.

Andere Entwicklungen seit der ersten Pisa-Studie sind eher kritisch zu sehen. Das trifft vor etwa auf die Bildungsstandards zu, die jetzt ausgesetzt wurden. Bildungsstandards an sich sind eine gute Sache, wenn sie Mindeststandards sind, die definieren, was jemand am Ende der Schulpflicht können und wissen muss. Das ist nicht nur international üblich, sondern wurde und wird auch in Österreich von Experten empfohlen, wie bereits in der "Zukunftskommission" unter Ministerin Gehrer.

Als Kompromiss mit der Lehrergewerkschaft, die sich vehement gegen Mindeststandards aussprach, wurden "Qualitätsstandards" definiert, was dazu führte, dass es etwa für das Fach Deutsch jetzt 52 Teilkompetenzen gibt, auf die es bis zum Ende der achten Schulstufe hinzuarbeiten gilt. Gerade von DeutschlehrerInnen kommen vermehrt Klagen, dass jetzt kaum mehr Zeit für anderes bleibt. Warum außerdem die Ergebnisse so verschlüsselt werden, dass sie nicht einmal der eigenen Schule als Ausgangsmaterial für Qualitätsentwicklung zur Verfügung stehen, kann auch nicht nachvollzogen werden.

Dafür sollten sie ja dienen - in einer autonomen Schule, wohlgemerkt, die wir auch nicht haben. Hier liegt die Schwäche des Systems, nicht am rumänischen Server! Dennoch: Schaffen wir nicht gleich die Standardüberprüfungen als Ganzes ab, sondern verbessern wir sie von Grund auf. Schließlich enthalten auch sie wertvolle Daten für die österreichische Bildungsforschung.

Doch noch einmal zurück zur Basis. Wer den schulischen Alltag kennt, wird verstehen, dass die meisten LehrerInnen von den ständigen Überprüfungen mehr als genug haben. Zu den nationalen und internationalen Überprüfungen sind noch jede Menge Tests auf Länderebene dazugekommen, die großen administrativen Aufwand bedeuten.

Unbewältigbare Aufgaben

An österreichischen Pflichtschulen - ein weltweit einzigartiges Phänomen - gibt es nicht einmal SekretärInnen, von sonstigem administrativem Personal ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass sich für die Leitung vieler Schulen überhaupt keine BewerberInnen mehr finden. Die LehrerInnen wiederum haben, vor allem in den Städten, oft andere Sorgen als Standardüberprüfungen, denn sie sehen sich Aufgaben gegenüber, die kaum mehr zu bewältigen sind. Dazu bräuchte es viel- mehr zusätzliches Personal wie SozialarbeiterInnen, FörderlehrerInnen, Sprachförderlehrkräfte, BeratungslehrerInnen, SchulpsychologInnen.

Sicher: Die österreichischen LehrerInnen sind es nicht gewohnt, ihre Arbeit regelmäßigen Überprüfungen zu unterziehen, aber wer verstehen will, warum externe Überprüfungen gar so unbeliebt sind, muss sich auch die Bedingungen ansehen, unter denen heute gearbeitet wird. Ohne zusätzliche Ressourcen wird es keine Verbesserung geben, und da sind wir am Schluss beim unangenehmsten Punkt angelangt: Ausgerechnet im Unterrichtsressort fallen die größten Budgeteinsparungen aller Ressorts an. Das sollte klar ausgesprochen werden. Woher das Geld kommen soll? Fangen wir bei der Reform der Schulverwaltung an! (Heidi Schrodt, DER STANDARD, 17.3.2014)