Wien - "Wie lahm und blind ist Justitia, wenn es um Ermittlungen und Verfahren gegen Manager oder Politiker aus der Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition geht?" ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit reagierte am Freitag empört auf den Standard-Bericht über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ehemalige Bahnmanager rund um ÖBB-Holding-Chef Martin Huber betreffend ÖBB-Spekulationsgeschäfte und ÖBB-Immobilienverkäufe. Die ÖBB und damit alle österreichischen Steuerzahler seien um hunderte Millionen Euro geschädigt worden, aber die Justiz finde keine Verantwortlichen.
Blindheit auf zumindest einem Auge sieht hingegen die Korruptionsaufdeckerin Gabriela Moser von den Grünen - auch bei Hebenstreit: "Die Verjährung zugelassen hat niemand geringerer als der vom damaligen Verkehrsminister und späteren Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) eingesetzte Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker". Der frühere Porr-Chef und damit Großauftragnehmer der Bahn sei es auch gewesen, der eine lückenlose Aufklärung nachhaltig verhinderte. Mit der Bestellung von Gutachten zur Legitimierung der 2005 abgeschlossenen Hochrisikogeschäfte, die fünf Jahre später sogar "Beihilfe zur Vertuschung" geleistet habe, sagt Moser. "Das Hochrisiko-Geschäft wurde im Juni 2005 von ÖBB-Managern aufgrund der Aussicht auf Bonuszahlungen geradezu gesucht", sagt Moser.
Zur Erinnerung: Eine von der Bahn bei Deloitte beauftragte Untersuchung hatte schwere Verstöße gegen die Konzernrichtlinien und mangelnde Information der Aufsichtsgremien zutage gefördert. Der Rechnungshof empfahl der Bahn Schadenersatzforderungen gegen ihre ehemalige Führungsgarnitur durchzusetzen.
Nicht gewollte Geschäfte
Ein - ebenfalls vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat beauftragtes - Gutachten bei einem Europarechtler der TU Wien hingegen geriet zum Persilschein. Die im September 2005 abgeschlossenen und im Frühjahr 2006 veränderten (und somit bestätigten) Credit Default Obligations mit der Deutschen Bank seien vom ÖBB-Management "so nicht gewollt" gewesen, stellten sohin keine grobe Pflichtwidrigkeit dar und mangels Vorsatzes schon gar keine Untreue. Inzwischen waren drei Jahre ins Land gezogen, und somit war auch die seinerzeitige Nicht-Information des Aufsichtsrats verjährt.
Womit auch diese Frage beantwortet ist. Die ÖBB hatte die Deutsche Bank wegen des Kreditversicherungsgeschäfts geklagt, sie sei getäuscht worden. Damit blitzte sie am Handelsgericht Wien ab. Der vorzeitige Ausstieg kostete 295 Mio. Euro. (ung, DER STANDARD, 15.3.2014)