Das "Haus des Lebens" in der Seestadt Aspern wird generationenübergreifendes Wohnen bieten. Dafür wird barrierefrei gebaut und auf Nachbarschaftshilfe gesetzt.

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Auch wenn sie älter wurde, eines kam für Frau Zolles nicht infrage: "In ein klassisches Seniorenwohnheim wollte ich auf keinen Fall", erzählt die Wienerin im Gespräch mit derStandard.at. "Da wohnen nur alte Leute, und außerdem hat man dort nur ein Zimmer, keine Wohnung, die du zusperren kannst."

"Hilfsbereitschaft ist groß"

Gemeinsam mit anderen ist sie daher im Oktober 2013 in das Generationen-Wohnen-Projekt in Wien/Ameisgasse eingezogen. "Auf unserer Stiege sind alle ungefähr im selben Alter, haben alle eine eigene Wohnung, und die Hilfebereitschaft untereinander ist groß", zählt Zolles die Vorteile ihrer jetzigen Wohnform auf.

Immer mehr Menschen suchen im Alter nach einer Alternative zum klassischen Pensionistenheim. Für das Jahr 2020 prognostiziert die Stadt Wien eine halbe Million Einwohner über sechzig Jahren. Generell von der Generation 65 plus zu sprechen, sei aber falsch, warnt die Architektin Christiane Feuerstein, die sich mit dem Thema Altern in Wien beschäftigt: "Das kalendarische Alter hat jede Aussagekraft verloren. Soziale Hintergründe, Bildungsstandards und finanzielle Möglichkeiten sind viel zu unterschiedlich."

Sicherheit und Komfort

Eine Faustregel gilt jedoch nach wie vor, sagt Feuerstein: "Je älter Menschen werden, umso mehr Zeit verbringen sie in ihrer Wohnung. Mit diesem verkleinerten Radius ändern sich auch die Ansprüche an die Wohnung. Das Bedürfnis nach Komfort und Sicherheit steigt." Dennoch legen alte Menschen weiterhin großen Wert auf Selbstbestimmung, sagt die Wiener Seniorenbeauftragte Angelika Rosenberger-Spitzy, die Barrierefreiheit und eine entsprechende Infrastruktur in der unmittelbaren Wohnumgebung als wichtige Faktoren für Seniorenwohnen nennt.

In Wien gibt es einige Wohnbauprojekte, die sich das Eingehen auf die speziellen Bedürfnisse von älteren Bewohnern auf die Fahnen geschrieben haben. Neben der generationenübergreifenden Wohnanlage in der Ameisgasse gibt es beispielsweise den "Klostergarten" im 22. Bezirk, wo die Apartments mit Sicherheits- und Notrufeinrichtungen ausgestattet sind. In der "Kornhäusl-Villa" in Ottakring sind 90 Prozent der Wohnungen mit dem Rollstuhl erreichbar.

Schon länger dem Thema Generationenwohnen widmen sich die Sargfabrik, der aus dem katholischen Bereich kommende Verein B.R.O.T. (Beten - Reden - Offen sein - Teilen) sowie die Frauenwohnprojekte "ro*sa" in der Donaustadt und im Kabelwerk in Meidling.

Neue Projekte

Auch im Neubau wird auf die veränderten Bedürfnisse älterer Bewohner Rücksicht genommen: So entsteht im 22. Bezirk unter dem Titel "Neu Stadlau" das Projekt OASE22, das sich dem Zusammenleben aller Generationen verschrieben hat. Angeboten werden Wohnungen für betreutes Wohnen sowie ein geriatrisches Tageszentrum des Fonds Soziales Wien und ein Pflegeheim in unmittelbarer Nachbarschaft. In Wien-Donaustadt werden unter dem Motto "generationen:wohnen am Mühlgrund" geförderte Eigentums- und Mietwohnungen gebaut. Flexible Wohnraumaufteilung soll sowohl das Wohnen verschiedener Generationen miteinander als auch die Integration behinderter Familienmitglieder ermöglichen.

Auch am Sonnwendgrund, dem Areal südlich des Wiener Hauptbahnhofes, entsteht mit "Platform L - Lebensstationen" ein Wohnprojekt für mehrere Generationen. Neben einem barrierefreien Wohnungsangebot wurden in Zusammenarbeit mit einem Soziologenteam Kommunikationszonen für das generationsübergreifende Wohnprojekt gestaltet, bei deren Gestaltung die zukünftigen Mieter mitbestimmen konnten. Ebenfalls auf nachbarschaftliche Solidarität und ein Miteinander der Generationen setzt das "Haus des Lebens" in der Seestadt Aspern: Senioren und Familien stehen barrierefreie Wohnungen zur Verfügung, zudem wird auf aktive Nachbarschaftshilfe auf freiwilliger Basis gesetzt.

Vernetzung im Alter

"Schlüsselworte für Bauträger sind Integration und Vernetzung", erläutert Christiane Feuerstein. "Es geht nicht nur um Stufen und Barrieren, sondern auch um ein soziales Netzwerk - Familie, freundschaftliche und nachbarschaftliche Kontakte." Die größte Herausforderung für Bauträger werde die Verschmelzung von intelligenter Wohnung und einem Wohnumfeld mit vielfältigen, finanziell leistbaren Angeboten.

Die meisten Bauträger setzen daher auf Mitsprache der (zukünftigen) Bewohner: "Man kann davon ausgehen, je besser die Menschen aktiv mitgestalten können, desto zufriedener werden sie in den errichteten Wohnungen leben", sagt Rosenberger-Spitzy. Das bestätigt auch Frau Zolles. Bevor überhaupt der Rohbau stand, sei man bereits integriert gewesen: "Wir haben uns die Wohnung aussuchen können, den Standort der Innenwände, wo das Klo hinkommt oder der Abfluss, welche Fliesen und Böden wir haben wollen."

Gefahren der Mitbestimmung

Aber Mitbestimmung im Vorfeld kann auch zur Stolperfalle werden, wenn sie nicht richtig moderiert wird. Ein Konzeptpapier des Grünen Arbeitskreises "Wohnen im Alter" warnt davor, dass "Gruppenkonflikte und die Motivationsprobleme durch überlange Planungs- und Realisierungszeiten, juristische und finanzielle Hindernisse die Realisierungschancen moderner Wohnprojekte vermindern." Zudem, so heißt es weiter, liefen Projekte, bei denen Grundkosten- und Eigenmittelanteile einzubringen sind, Gefahr, nur mittelständische Bewohner mit ausreichend Einkommen anzuziehen.

Christiane Feuerstein rät Senioren, sich darüber klar zu werden, welche Bedürfnisse und finanziellen Möglichkeiten im Vordergrund stehen. Diese Entscheidungen sollten getroffen werden, solange man noch Entscheidungsmöglichkeiten habe und die Weichen stellen könne, so die Expertin: "Sonst läuft man Gefahr, dass einen die Ereignisse auf einmal überrollen." (Barbara Oberrauter, derStandard.at, 19.3.2014)