Testperson beim Atmen in die präparierte Höhle.

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Bozen - Die Schneedichte könnte für das Überleben unter einer Lawine eine weitaus größere Rolle spielen als bisher angenommen. Forscher davon aus, dass die Schneedichte sogar mehr Einfluss als die Größe der verfügbaren Atemhöhle im Schnee haben könnte. Um dies zu überprüfen, führte ein internationales Forscherteamunter Beteiligung der Uni Innsbruck zwischen Januar und März 2014 in Prags im Pustertal (Südtirol) eine experimentelle Studie mit Testpersonen und einer künstlichen Lawine durch.

Schon aus früheren Studien ist bekannt, dass die Überlebensdauer unter einer Lawine mit trockenem lockerem Schnee länger ist als unter nassem dichten Schnee: Bei letzterem dringt weniger Luft durch die Schneedecke. Darauf aufbauend stellten sich die Forscher nun die Frage: Wie groß ist der Einfluss der Schneedichte auf das Überleben bei einem Lawinenverschütteten, der eine Atemhöhle im Schnee zur Verfügung hat und imstande ist zu atmen?

Medizinische Parameter

Die Forscher simulierten für die experimentellen Tests eine Lawine, aus der für jeden der insgesamt zwölf Probanden eine standardisierte Atemhöhle herausgestanzt wurde. Alle Testpersonen waren Mitglieder von Bergrettungsdiensten. Um ihre Sicherheit zu garantieren, wurden sie nicht etwa in die Lawine eingegraben, sondern saßen außerhalb der Lawine - direkt an der Schneewand.

Die Tests wurden schließlich in drei Durchgängen durchgeführt: Die Probanden atmeten 30 Minuten lang in die vorbereitete Atemhöhle. Während dieser Zeit überwachten die Forscher zahlreiche relevante medizinische Parameter - etwa den Sauerstoffgehalt und Kohlendioxidwert im Blut und in der Atemhöhle, den Sauerstoffgehalt im Gehirn, sowie Puls und Blutdruck. Außerdem wurde jeweils zu Beginn und am Ende der 30 Minuten gemessen, wie viel Atemaufwand ein Proband betreiben musste, um in die Atemhöhle zu atmen. Damit kann auf den Zusammenhang zwischen Schneedichte und Überleben bei einer Lawinenverschüttung geschlossen werden.

Schneestruktur im CT

"Wir versuchen herauszufinden wie das Verhältnis zwischen der Sauerstoffdiffusion in die Atemhöhle und der Schneedichte ist, weil ein Überleben im Schnee möglicherweise länger möglich ist als bisher vermutet. Um einen Vergleich zu haben, atmeten Probanden in luftdichte Plastiktüten, wo kein Sauerstoff von außen in die Atemhöhle strömt", erklärt Hermann Brugger  von der Medizinischen Universität Innsbruck. Beim Atmen in die Plastiktüten mussten die Tests aufgrund von Sauerstoffmangel nach zwei bis fünf Minuten beendet werden, während die Probanden bei gleich großen Atemhöhlen im lockeren Schnee problemlos 30 Minuten lang atmen konnten.

In Relation zu den medizinischen Daten analysierten die Wissenschafter die Schneedichte und Schneebeschaffenheit der bei den Tests verwendeten Atemhöhlen. Sie entnahmen Proben aus jeder ausgestanzten Atemhöhle – jeweils vor und nach jedem Test, um zu prüfen, ob sich die Struktur des Schnees durch das Atmen der Probanden in die Atemhöhlen verändert hatte. Weiters transportierten sie Schneeproben der Atemhöhlen tiefgekühlt nach Davos und analysierten dort die Schneestruktur im Labor mit Hilfe von Computertomographie. Schließlich untersuchten die Forscher auch die Luftdurchlässigkeit des Schnees, um festzustellen, wie viel Sauerstoff durch den Schnee in die Atemhöhle strömen kann: Dazu saugten sie Luft aus der Atemhöhle ab und maßen, wie schnell sich der so entstandene Unterdruck wieder normalisierte.

Die genauen Studienergebnisse sollen innerhalb eines Jahres vorliegen. Ein erstes Resümee ziehen die Forscher aber schon jetzt: "Es sieht danach aus, dass die Überlebenskurve bei Lawinenverschüttung in Abhängigkeit von der vorherrschenden Schneedichte und damit über das Winterhalbjahr mehr schwankt als bisher angenommen." (red, derStandard.at, 15.3.2014)