Richard Kühnel, Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien.

Foto: Regine Hendrich

Zum mittlerweile zehnten Mal lud die FH des bfi Wien in dieser Woche zu "Faces of Europe". Österreicher mit Funktion in oder für Europa sind jeweils Gäste, im Dialog soll so Europa auch biografisch „begreifbar" werden, wie Helmut Holzinger, Geschäftsführer dieser Fachhochschule, sagt.

Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Wien, machte das kleine Jubiläum am vergangenen Mittwoch auch zu einem besonders nahbaren und unmittelbaren Dialog: wohl mit dem Geschick seiner diplomatischen Karriere – wo ein "Nein" zu einem "stimmt so nicht ganz" wird, wo sich ein charmanter Bogen zieht statt eines klaren Kontras – aber doch ganz lebensnah. Er weiß, was ein Liter Milch kostet, er geht ja in den Supermarkt. Halbe-halbe im Haushalt mit Kleinkind schaffe er nicht, aber: Die Wochenenden sind heilig, den „Morgendienst" macht der Papa.

Geübter Diplomat

Auch mit Humor spart er nicht – ja, es sei natürlich schwer, die Figur zu halten, wenn man einen gemütlichen Tag nach dem anderen verbringt, so wie er, mit ein bisserl Lesen, Essengehen usw. Ernsthaft dann: Er ist gerade engagiert in die Planungen zum Europatag am neunten Mai, permanent unterwegs, um „die Europa-Kommunikation rauszutragen", in Schulen, in Gemeinden. Und er will österreichische Politiker dazu bewegen, sich viel mehr in der Europa-Kommunikation zu engagieren.

Dass ihn die anhaltende EU-Skepsis in Österreich nicht zu brüllenden Freudenstürmen hinreißt, muss er schon zugeben, aber das sieht der Hobbysportler sportlich: Wer sich etwa im Fußball ganz unten befinde, der freue sich über jeden Platz ein wenig weiter oben. Der Weg sei der richtige, sagt er und erwartet also auch 50 Prozent Wahlbeteiligung in Österreich bei den kommenden Europa-Wahlen.
Warum die Entscheidung des Juristen für die Diplomatie? Das beantworte sich mit seinem Verständnis des Jobs: harte Knochenarbeit, sagt er da. Er sei ein Praktiker, brauche Unmittelbarkeit, das Feedback der Wirksamkeit. Ganz leise ist es im Auditorium der rund 120 Studierenden und externen Gäste in der Fachhochschule, als er von seiner Arbeit mit ehemaligen Kindersoldaten in Sierra Leone berichtet.

In Vielfalt vereint

Auf politische Fragen antwortet er mit abwägender Darstellung der Positionen – ob sich Europa auf den Weg der Vereinigten Staaten von Europa begeben müsse, um noch Gewicht zu haben? "In Vielfalt vereint", zitiert er darauf das Motto der EU mit seinen souveränen Mitgliedsländern.

Bangen Fragen aus dem Publikum nach dem Fortgang der Krim-Krise begegnet er klar, nach ausführlicher Darstellung der erwarteten Wirksamkeit des Eskalationsplans wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland: "Ich glaube nicht, dass es zu einem heißen Krieg zwischen Russland und der Ukraine kommen wird."

Deutlich ist er auch zum Thema Hypo Alpe Adria und erinnert daran, dass Brüssel nun auch einen Plan zur Rückführung der Schuldenlast (mit Hypo erwartete 80 Prozent der Wirtschaftsleistung) verlange. Der angehende Mittvierziger verortet sich selbst „an der Grenze zur Jugend" und unterstreicht so auch sein Drängen – analog zu den Reformempfehlungen der Kommission – nach rascher Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, nach Straffung und mehr Effizienz im Gesundheitssystem.

Was Europa besser könne als der Rest der Welt, fragt FH-Rektor Andreas Breinbauer. Da fällt Kühnel viel ein – vom Humankapital bis zu Sozialsystemen, die er als klare Stärke des Kontinents sieht.
Richard Kühnel nimmt sich im Dialog nie als Mensch heraus, zieht sich nie bloß in seine Funktion zurück. Das ermöglicht tatsächlich Dialog – und die Studierenden nützen das auch. (red, Der Standard, 15./16.03.2014)