Manche Beobachter nennen die Ernennung des libyschen Verteidigungsministers Abdullah al-Thinni als Ersatz für den gestürzten Premier Ali Zeidan einen Coup - mit der Einschränkung, dass es in Libyen weder eine Armee noch den einen starken Mann gibt, die gemeinsam die Macht übernehmen könnten. Das Parlament plant, Thinni, der weitgehend respektiert wird, in Kürze zu ersetzen: Dazu muss es sich aber erst auf einen anderen einigen, und auch das Wahlgesetz, mittels dessen im Sommer neu gewählt werden soll, muss erst geschrieben werden. Die Präsidentenwahl ist schon abgesagt, und von einer Verfassung redet im Moment niemand mehr.

Die Affäre um den entkommenen Öltanker war ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft, die allerdings völlig hilflos ist. Das Problem ist, dass es in Libyen nicht den einen großen Konfliktherd gibt, den man löschen könnte. Die Fraktionierung ist so fortgeschritten, dass es schwer ist, einen Ansatz zu finden.

Vordringlich müsste jedoch Tripolis von den Milizen befreit, die islamistisch geprägte Mordserie in Bengasi gestoppt und der Öldieb Ibrahim Jadran mit seinen selbsternannten (zuvor von der Regierung finanzierten) Petroleum Facility Guards (PFC) unter Kontrolle gebracht werden. Hier ist es ein Glück für die Regierung, dass es in Misrata kein Öl gibt - deshalb kämpfen die mächtigen Misrata-Milizen für den Staat. Wenn es denn diesen noch gibt. (DER STANDARD, 13.3.2014)