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Seit Wochen protestieren die Strengreligiösen gegen die Wehrpflicht für ihre Gruppe - die Polizei geht bei Kundgebungen mitunter gewaltsam vor.

Foto: EPA/Hollander

Mit 67:0 endete am Dienstag in Jerusalem ein parlamentarisches Match zwischen der Regierungskoalition und der Opposition - aber nur, weil eine der Mannschaften gar nicht auf dem Spielfeld war: Die Opposition boykottiert eine ganze Woche lang die Abstimmungen und Debatten im Plenarsaal und tagt demonstrativ in einem separaten Raum. Spötter sprechen von einer originellen israelischen Erfindung: Getrennte Sitzungen gewährleisten, dass Koalition und Opposition einander immer ohne Zwischenrufe reden lassen.

In der Substanz geht es um die drei vielleicht wichtigsten Gesetzesvorhaben der Legislaturperiode: die Wehrpflicht für die Strengreligiösen; ein "Regierbarkeitsgesetz" mit Erhöhung der Sperrklausel bei Parlamentswahlen von zwei auf 3,25 Prozent; und ein "Volksabstimmungsgesetz", das jeden Verzicht auf israelisches Staatsgebiet von einem Referendum abhängig machen wird.

Als Erstes wurde das "Regierbarkeitsgesetz", das etwa auch die Zahl der Ministerposten auf 18 limitiert, ohne Gegenstimme und Enthaltung beschlossen. Am Mittwoch oder am Donnerstag kommt das Wehrgesetz dran.

Jeder der Entwürfe ist für sich umstritten. So gab es schon seit Jahrzehnten immer wieder Anläufe, die Sperrklausel anzuheben, um der Aufsplitterung des Parlaments entgegenzuwirken. Die Entscheidung ist deswegen brisant, weil die drei arabischen Parteien bei je rund drei Prozent liegen und sich vor den nächsten Wahlen zusammenschließen müssten, um die höhere Hürde zu nehmen.

Streit um Fraktionszwang

Auch in der Koalition gibt es Vorbehalte. So lehnen Abgeordnete der liberalen "Bewegung" die Idee des Referendums ab, dem siedlernahen "Jüdischen Heim" wiederum gefallen Einzelheiten der Wehrdienstreform nicht. Weil es für jedes Gesetz einzeln keine Mehrheit gäbe, haben die vier Regierungsparteien Fraktionszwang vereinbart - aus der Sicht der Opposition eine "Mafia-Methode".

Das Vorgehen "überschreitet die grundlegendsten roten Linien", wetterte Yitzhak Herzog, Chef der Arbeiterpartei, während die Regierung den Auszug der Opposition als "undemokratisch" und "kindisch" bezeichnete.

Innerhalb der gemeinsamen Oppositionsfront scheint unterdessen ein neuer Frühling zwischen den Sozialdemokraten und den Strengreligiösen zu erblühen. Von der orthodoxen Schass-Partei hörte man ausdrücklich, dass sie Premier Benjamin Netanjahu stürzen wolle und in Herzog "eine Alternative" sehe. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 12.3.2014)