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Handelspartner Kiew: die chinesische Liaoning aus ukrainischer, ursprünglich noch sowjetischer Produktion.

Foto: Reuters / China Daily

Chinas Außenminister Wang Yi zog sich diplomatisch aus der Affäre, als er Pekings Haltung zur Ukraine-Krise erklären sollte. Die Gelegenheit dazu bot ihm eine ganz allgemein gehaltene Frage: Die Vertreterin des Staatssenders CCTV stellte sie auf seiner am Wochenende live übertragenen Pressekonferenz am Rande des Volkskongresses in Peking. Statt konkret antworten zu müssen, konnte er unverbindlich "alle Parteien zu Besonnenheit und Zurückhaltung und zur Vermeidung weiterer Eskalationen aufrufen".

Wang musste so nicht den kniffligen Widerspruch auflösen, warum Peking keine Kritik am Vorgehen Moskaus an der Krim übt, obwohl es doch immer und überall auf das Prinzip der Nichteinmischung pocht. Wang blieb auch erspart, sich zum Krim-Referendum am 16. März zu äußern; oder gar zu verraten, welche wirtschaftlichen Interessen China in der Ukraine verfolgt.

Zu Floskeln wie dieser nimmt China gern immer dann Zuflucht, wenn es nicht öffentlich Stellung nehmen will - wie etwa im Syrien-Konflikt. Wang sagte weiter: "Wir stehen in Kontakt mit verschiedenen Parteien und werden eine konstruktive Rolle für eine politische Lösung spielen." Kein Tadel an Russland; stattdessen lobte Wang in einem anderen Zusammenhang das "chinesisch-russische Verhältnis in der derzeitigen Phase als das beste in der bilateralen Geschichte". Wang sprach auch von der "tiefen Freundschaft zwischen den beiden Präsidenten von China und Russland".

Zuvor hatte sich der Sprecher des Außenministeriums ähnlich geäußert und zugleich den von den USA und der EU befürworteten Sanktionen eine Abfuhr erteilt: "Wir sind auch gegen jede Androhung von Maßnahmen."

Chinas Staats- und Parteimedien nehmen da weniger diplomatische Rücksicht. Sie reden und schreiben Klartext. Jin Yinan, Direktor des Strategieinstituts der Verteidigungsuniversität, erklärte im Sender CRN, warum Chinas Nichteinmischungsprinzip und Putins Vorgehen an der Krim in keinem Widerspruch zueinander stünden: Der Westen habe mit der Einmischung in der Ukraine angefangen; Putin reagiere nur. Ihn legitimiere "vollkommen" die objektive Entwicklung; Putin handle verantwortungsbewusst. Schließlich gehe es für ihn um entscheidende Sicherheitsinteressen Russlands und die seiner Rolle als Großmacht. Putin habe sehr lange und geduldig zugeschaut. Mit seinem entschlossenen Handeln habe er nun alle überrascht, "den Westen wie auch die chinesischen Beobachter".

Die Äußerung des Armeestrategen ist keine Einzelmeinung. Vergangenen Mittwoch schon lautete der Titel des Leitartikels der Global Times: "Es liegt in Chinas Interesse, hinter Russland zu stehen". Russland und China seien "gegenseitige strategische Pufferzonen". Würde der Westen das von Putin geführte Russland besiegen, wäre es auch ein "schwerer Schlag für Chinas geopolitische Interessen"; Russland sei Chinas "umfassender strategischer Partner", den kein anderes Land in den kommenden "20 bis 30 Jahren" ersetzen könnte: "Wir hoffen, dass der Westen und Russland zu einem Kompromiss finden. Wenn der Westen wirklich Sanktionen gegen Russland ergreift, sollte Chinas Gesellschaft Russland umso mehr unterstützen, ihm besonders wirtschaftliche Hilfe leisten."

Noch beißender der Kommentator in der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua: Der Westen habe sich "selbst in den Fuß geschossen", als er sich unter dem "Vorwand, die Demokratie zu unterstützen, in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischte". Nun stehe er als "Verlierer da" .

Handelspartner Ukraine

Seit Jahresanfang verfolgt Peking sichtlich beunruhigt die Entwicklung in der Ukraine. Die ehemalige Regierung hatte Milliardenaufträge vergeben an chinesische Infrastruktur-, Verkehrs-, Baugesellschaften und Energieunternehmen. Nach Angaben der chinesischen Zeitwoche addierten sie sich allein 2012 auf zehn Milliarden US-Dollar.

China ist nach Russland der zweitgrößte Handelspartner der Ukraine. Ein Symbol für die Waffengeschäfte mit Kiew ist etwa der bisher einzige Flugzeugträger, den China einst der Ukraine abkaufte; damals noch ein aus sowjetischer Herstellung stammender Rohbau, den China zur 2012 in Betrieb genommenen Liaoning umbaute. Auch der Eisbrecher Xuelong stammt aus der Ukraine. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 11.3.2014)