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Spanien setzte bis 2008/2009 massiv auf Solarenergie.

Foto: REUTERS/Marcelo del Pozo

Wien - In dem Rechtstreit Postová banka und Istrokapital vs Hellenic Republic geht es um einen Streitwert von mehr als 200 Millionen Euro. Aber bei dem Verfahren gibt es keine öffentlich zugängliche Klageschrift. Bei dem Prozess sind keine Zuhörer erlaubt, möglicherweise wird die Entscheidung in dem Fall nie veröffentlicht werden.

Die slowakische Postová banka verklagt Griechenland nämlich vor keinem ordentlichen Gericht, sondern vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington. Die Bank fordert Schadenersatz, weil das Institut bei der Entschuldung Griechenlands 2012 auf die Hälfte seiner Forderungen verzichten musste.

Kein Einzelfall

Die Klage ist kein Einzelfall. Dutzende Investoren ziehen derzeit vor private Schiedsgerichte, um von den Euroländern Zypern, Griechenland und Spanien Entschädigung für Maßnahmen zu erhalten, die diese Länder zur Bekämpfung der Krise ergriffen haben. Am Montag hat das Corporate Europe Observatory, eine NGO mit Sitz in Brüssel, eine Studie über die anhängigen Schiedsverfahren veröffentlicht. Investoren verlangen demnach allein von den drei Euroländern 1,7 Milliarden Euro an Entschädigung.

So ist vor dem ICSID ein Verfahren gegen Zypern wegen der Laiki-Bank anhängig. 2013 hat Zypern in seinem Banksystem aufgeräumt. Dabei hat der Staat die Banken nicht mit Milliarden gerettet, sondern Investoren an den Kosten beteiligt. Der größte Laiki-Investor, die griechische Marfin Group, verlangt deshalb Schadenersatz in der Höhe von 820 Millionen Euro.

Noch schlimmer hat es Spanien erwischt. Seit 2009 haben 22 Unternehmen Klagen gegen Madrid eingereicht. Spanien hat vor Krisenausbruch die Solarenergie üppig gefördert. Strom aus solartechnischen Anlagen wurde mit einem für 25 Jahre garantierten Zuschuss bedacht. Diese Förderung wurde 2013 gestrichen. Die klagenden Unternehmen, darunter die Deutsche Bank, werfen Madrid Enteignung vor.

Aber warum wenden sich Investoren an private Schiedsgerichte und nicht an nationale Tribunale? Die Antwort: weil sie sich bessere Urteile erwarten. Rechtsgrundlage für die Klagen sind zwischenstaatliche und multinationale Investitionsschutzabkommen, von denen es weltweit bis zu 3000 Stück gibt. Die Abkommen sollen ausländischen Investoren Schutz gewähren.

Ursprünglich nutzten vor allem Industrieländer die Verträge, um ihre Unternehmen in Lateinamerika oder Afrika abzusichern. Allerdings gibt es auch zwischen Industrienationen viele Schutzverträge - besonders zwischen den alten EU-Ländern und den neuen in Osteuropa. Die österreichische EVN zum Beispiel klagt Bulgarien gerade beim ICSID wegen eines Streits um Solarförderungen.

Die Kritik an den Schiedsverfahren ist vielfältig: Neben der mangelnden Transparenz bemängelt Corporate Europe Observatory, dass Spekulanten die Privatgerichte exzessiv nutzen. Die Postová banka etwa soll griechische Staatsanleihen gekauft haben, als die Finanzprobleme Athens längst bekannt waren.

Schrei nach Transparenz

Besonders aktiv ist das ICSID. Das Schiedsgericht wurde in den 1960er-Jahre durch die Konvention von Washington geschaffen. Das Gericht entscheidet mit Dreiersenaten (Kläger und Beklagte ernennen einen Richter, der Dritte wird gemeinsam ausgewählt). Rund 180 Verfahren sind vor dem zur Weltbankgruppe gehörenden Tribunal anhängig.

"Grundsätzlich haben Investitionsschutzabkommen eine absolute Berechtigung, weil sie helfen können, Streitereien friedlich beizulegen", sagt der Jurist Klaus Sachs, der immer wieder als ICSID-Schiedsrichter eingesetzt wird. Es sei auch ein Irrglaube, dass Investoren vor den Schiedsgerichten immer gewinnen. "Richtig ist aber, dass die Arbeit des ICSID nach mehr Transparenz schreit." Nicht nur die Abläufe seien oft undurchsichtig. In vielen Fällen ist es auch die Rechtslage. Schon kleine Standardformulierungen, etwa wonach Unternehmen fair behandelt werden müssen, könnten zu Klagen führen, so Sachs. (András Szigetvari, DER STANDARD, 11.3.2014)