Dass das Wiener Gemüt, vor allem im Sommer, ein leicht erregbares ist, hat der mediale und lokalpolitische Umgang mit dem Schweizer Graffiti-Touristen PUBER letztes Jahr schon gezeigt. Wenn also die Krim-Krise auf den hiesigen Startseiten Konkurrenz bekommt und eine Woge der Schadenfreude durch die sozialen Netzwerke geht, muss das noch nicht viel bedeuten. Für gestern hieß es lediglich, dass eine Vice-Geschichte, die das Niveau einer Bravo-Foto-Lovestory nur knapp übersteigt, und eine APA-Meldung von der Verhaftung eben jenes Graffiti-Strolchs berichteten.

Schuldig, bis die Unschuld bewiesen ist

Während sich der festgenommene Verdächtige selbst bis dato verbal enthaltsam zeigt, ist der Schuldspruch auf Facebook und in sämtlichen Online-Foren schon geschehen. Von existenzbedrohenden Geld- bis lebenslangen Gefängnisstrafen mit allerlei Zwischentönen physischer Gewalt werden dem vermeintlichen Puber so einige Hässlichkeiten an den Hals gewünscht. Die nicht mit dem Sprayer assoziierte Facebook-Seite "Free Puber", der es um prinzipielle Gefängniskritik geht, hat indes noch keine 1000 Likes.

Die Möbius-Schleife

Die Frage, die so immer wieder aufs Neue gestellt wird, und zu der sich selbst derStandard.at anlässlich der heißen Debatte hinreißen lässt, ist altbekannt aber wenig bewährt: Ist Graffiti nun "Kunst oder Vandalismus" (sic!)? Dass sich diese Diskussion jedes Mal aufs Neue im Sand verliert, ist der Tatsache geschuldet, dass sie im möbius'schen Sinne müßig ist. Graffiti (wie Kunst an sich) kann als politischer Akt begriffen werden, als subversive Aneignung von Raum, als gemeinschaftsbildendes Projekt, als Geschmiere an einer Wand, als Botschaft, als Kunstwerk, als Stadtverschönerung, oder eben als Hobby für Größenwahnsinnige mit Gottkomplexen. Es ist all das, für manche weniger und andere noch mehr. Es gibt keine allgemeingültige Antwort. Graffiti wird wie jede andere Kunstform individuell interpretiert.

"Das ist kein Graffiti!"

Puber polarisiert, weil er dem ästhetischen Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft nicht genüge getan hat. Vermutlich hätte er mit der Verbreitung von Rosen-Stencils, insbesondere in den kreativverliebten Innenbezirken, mehr Freunde gewonnen. So wird ihm einfach schnell die Zugehörigkeit zu einer Szene abgesprochen, in der plötzlich jeder Experte ist. Auch wenn das jetzt ein bisschen wehtun mag: Graffiti ist nicht nur Graffiti, wenn es schön anzusehen auf einer legalen Fläche im Rahmen eines Stadtbelebungsprojekts und/oder gegen ein bisschen Gage passiert. Es braucht keine Befürworter und keine Bewertung. Es kann als Teil eines urbanen Stadtbilds akzeptiert oder verteufelt werden – seine Urheber scheren sich nicht darum. Und weil so vielen die Worte fehlen, um das adäquat begrifflich zu erfassen, was Puber getan hat: Es heißt Oldschool.