Der Stuttgarter Architekt und Ingenieur Werner Sobek ist Pionier in Sachen Technologie und Vernetzung. Mit Nachtsichtgeräten, erfuhr Wojciech Czaja, kommt man in seinem gläsernen Einfamilienhaus aber nicht weit.

"Das Beste an diesem Haus ist, dass es sich nicht anfühlt wie ein Haus. Vielmehr hat man das Gefühl, man sei mitten in der Natur. Und das ist man auch. Egal, wo man sich gerade aufhält, man sieht die Bäume, man sieht den Himmel, man sieht und hört den Regen, man riecht die Blüten, man bekommt einfach den ganzen Tagesverlauf mit. Ein halbes Jahr, nachdem wir eingezogen waren, fiel mir auf, dass ich nicht mehr auf die Uhr gucke. Anhand des Tageslichts kann man gut abschätzen, wie spät es immer ist.

Ingenieur Werner Sobek in seinem transparenten Haus am Stadtrand von Stuttgart. "Wenn ich ungestört sein will, dann mache ich einfach die Augen zu." (Foto: Zooey Braun)
Foto: Zooey Braun

Ich werde oft gefragt, wie es sich anfühlt, ständig unter Beobachtung zu sein. Und dann sage ich: Zum einen wohnt der nächste Nachbar 200 Meter von hier entfernt, und zum anderen ist mir das auch ziemlich egal. Es gibt sogar Leute, die versuchen, uns bei Dunkelheit mit Nachtsichtgeräten im Haus aufzuspüren, aber das führt zu nichts. Die Glasscheiben haben eine Low-Emissivity-Beschichtung und lassen keinerlei Infrarotstrahlung durch. Pech gehabt!

Warum das Haus so aussieht, wie es aussieht, hat einen guten Grund. Was meine Arbeit betrifft, würde ich mich als Pionier bezeichnen, weil ich an der Entwicklung neuer Technologien sowie an der Implementierung dieser Technologien im Bauwesen maßgeblich beteiligt bin. Ich lebe diesen Beruf mit Leidenschaft. Und wenn man etwas Neues entwickelt, so muss man sich auch als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen und am eigenen Leibe das ausprobieren, was man später dem Markt anbieten möchte.

Wir haben lange an diesem Haus geplant – von 1997 bis 2000. Der Bauprozess selbst dauerte aber nur zehn Wochen. Es war eines der ersten Gebäude, das sich komplett über den Computer steuern lässt. Über einen Touchscreen geben wir die gewünschte Temperatur ein, und die EDV erledigt den Rest. Theoretisch können wir die Haustechnik auch übers Handy steuern. Wir wohnen in einem richtigen Nullenergiehaus – ohne Gaskessel, ohne Ofen, ohne Erdwärme. Wir heizen einzig und allein mithilfe der Sonne. Es gibt eine Bauteil-Aktivierung, einen Wärmetauscher sowie einen Speichertank mit 12.000 Liter Wasser, in dem die gewonnene Energie gespeichert wird. Die Wassertemperatur im Tank pendelt zwischen fünf und 85 Grad Celsius! Außerdem hält sich der Energiebedarf durch die hochwertige Isolierung – die Glasscheiben sind mit Krypton gefüllt und haben die gleiche Wärmedämmeigenschaft wie eine 14 Zentimeter dicke Styroporplatte – ohnehin in Grenzen.

Demnächst wollen wir das Haus technisch etwas nachrüsten und eine neue Software installieren. Es handelt sich dabei um ein Energieoptimierungssystem unter dem Namen alpha EOS. Dann werden wir noch weniger Strom verbrauchen als heute. Sämtliche Geräte wie Geschirrspüler oder Waschmaschine können dann via Internet gestartet werden. Das System ist mit der meteorologischen Station verbunden und kann aufgrund von Wetterlage, Netzauslastung und Tageszeit automatisch kalkulieren, wann die Energiekosten am niedrigsten sind und das öffentliche Stromnetz am geringsten belastet wird. Außerdem werden wir ab Sommer einen Elektro-Smart haben, den wir über unsere Photovoltaik-Anlage direkt aufladen können.

Ob mir das Haus zu transparent ist? Eigentlich nie! Denn wenn ich ungestört sein und mich ein wenig in mein Innerstes verkriechen will, dann mache ich einfach die Augen zu. Das lernt man, wenn man so viel unterwegs ist wie ich. Sobald ich die Augen schließe, fühle ich mich zu Hause, fühle ich Heimat." (DER STANDARD, 8.3.2014)