Ein zeitweilig versiegter Gewässerlauf - nicht irgendwo in subtropischen Trockensavannen, sondern im deutschen Brandenburg.

Foto: Jörg Gelbrecht

Berlin - Flüsse und Bäche führen je nach Jahreszeit unterschiedliche Wassermengen und können ihren Lauf verändern - zumindest ihre Existenz an sich erscheint uns aber zumeist als Konstante. Dabei gibt es viele Fließgewässer, die zwischenzeitlich komplett versiegen. Insgesamt stellen solche temporären Fließgewässer sogar knapp die Mehrheit der globalen Flussnetzwerke, wie der Forschungsverbund Berlin berichtet.

Damit spielen Flüsse, die nur zeitweise Wasser führen, eine bedeutende ökologische Rolle. Laut einer Untersuchung von Forschern des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Freien Universität Berlin handelt es sich um Zentren der biologischen Vielfalt, die auch für den Menschen von großer Bedeutung sind.

Weit verbreiteter Gewässertyp

Unterhalb des 60. Breitengrades führen sogar 70 Prozent aller Flüsse nur zwischenzeitlich Wasser. Für die lokale Bevölkerung sind diese temporären Gewässer von hoher Bedeutung: Sie dienen dem Fischfang, der Bewässerung von Feldern und speisen das Grundwasser. Durch Übernutzung fallen jedoch mehr und mehr Flüsse zeitweise trocken, darunter so bekannte Ströme wie der Nil, der Rio Grande und der Colorado River.

Aber auch in Deutschland trocknen den Erkenntnissen zufolge bisher permanent wasserführende Gewässer vermehrt aus, besonders in den östlichen Bundesländern, wo kleine Änderungen im Niederschlag oder im Grundwasserstand massive Auswirkungen auf den Oberflächenabfluss haben können. Begünstigt wird das Trockenfallen durch Entwässerungen und Begradigungen.

... und oft ein verkannter

Als problematisch sehen die Forscher an, dass temporäre Fließgewässer nicht ausreichend in nationalen und internationalen Wassermanagements berücksichtigt werden. Zum Beispiel werden sie in der EU je nach Typologie als Gewässer anerkannt - oder eben auch nicht. Die Definition wird von den Gesetzgebungen der EU-Staaten unterschiedlich ausgelegt. Ganz anders in Australien, wo ein Großteil der Flüsse zeitweise versiegt, was zu einer entsprechenden Klassifizierung und darauf aufbauenden Managementmaßnahmen geführt hat.

Ihre Bestandsaufnahme von temporären Fließgewässern sehen die Forscher daher Grundlage, auf der über politische Maßnahmen zum Umgang mit diesen Ökosystemen entschieden werden kann. Nicht zuletzt, da diese ihrerseits starke Auswirkungen auf andere Ökosysteme haben. Schlechtes Management beeinträchtigt nicht nur die temporären Gewässer selbst, sondern kann sich auch schwerwiegend auf die Wasserquantität und -qualität von Seen, Trinkwasserspeichern und Meeresküsten auswirken.

IGB-Forscher Klement Tockner abschließend: "Wir können nicht die Hälfte aller Fließgewässer ignorieren und dabei riskieren, wichtige Lebensräume für Mensch und Natur zu verlieren. Die Folgekosten können langfristig weitaus höher ausfallen, als für den Schutz dieser Gewässer benötigt werden." (red, derStandard.at, 7. 3. 2014)