Jaron Lanier, "Wem gehört die Zukunft". Übersetzung Dagmar Mallett, Heike Schlatterer € 25,70 / 480 Seiten. Hoffmann-und-Campe-Verlag, Hamburg 2014

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Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee, "The Second Machine Age. Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies". € 24,50 / 320 Seiten. W. W. Norton & Company, New York, London 2014

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Viktor Mayer-Schönberger, Kenneth Cukier, "Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird" . Übersetzung Dagmar Mallett. € 25,70 / 300 Seiten. Redline-Verlag, München 2013

Viktor Mayer-Schönberger, Kenneth Cukier, "Learning with Big Data. The Future of Ecucation". 54 Seiten. Houthon Mifflin Harcourt, Boston / New York 2014

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Schwerpunktausgabe 25 Jahre WWW

Welche Auswirkungen haben die mit dem Internet zusammenhängenden technologische Entwicklungen auf unser Leben und unsere Arbeit? Welche Rolle spielen Internetkonzerne? Drei Bücher versuchen Antworten zu geben.

Gerade auf Deutsch erschienen ist das Buch des Erfinders des Begriffs "virtuelle Realität", Jaron Lanier: Wem gehört die Zukunft? Er schwärmte einst von den neuen technologischen Möglichkeiten, inzwischen ist der Computerwissenschafter ziemlich ernüchtert: Sirenenserver haben die Macht übernommen, so das Fazit des US-Amerikaners. Die Finanzmärkte werden durch den Hochfrequenzhandel bestimmt, Suchmaschinen und soziale Netzwerke erfassen und analysieren alle möglichen Daten.

In seinen Analysen zeichnet er Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nach - Beispiel Kodak: Die Firma hatte einst einen Wert von 28 Milliarden US-Dollar und 140.000 Mitarbeiter. Dann erfand sie selbst die digitale Fotografie und ging unter. Ihr Nachfolger Instagram wurde gerade für eine Milliarde US-Dollar verkauft und beschäftigt ganze 13 Mitarbeiter.

Selbst die Pflegeberufe böten bald keine sicheren Jobs mehr, meint Lanier und beschreibt die Entwicklung von Bettpfannenrobotern und die Auswirkungen der 3-D-Drucker-Technologie, die Arbeitsplätze in Billiglohnländern ersetzen könnte. "Die letzten Wellen der Hightech-Innovationen haben nicht in dem Maße Arbeitsplätze geschaffen wie frühere technische Neuerungen", schreibt Lanier.

Dass eine zweite maschinelle Revolution begonnen habe, davon sind Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee überzeugt, die beide am Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeiten. Trotz ihres grundsätzlich optimistischen - manchmal typisch amerikanischen - Ansatzes in ihrem Buch The Second Machine Age: Work, Progress, And Prosperity In A Time Of Brilliant Technologies verhehlen sie nicht die negativen Aspekte der Veränderungen: die Gefährdung von Arbeitsplätzen durch die Technologisierung und Automatisierung. Das hat auch Auswirkungen etwa auf das Steuersystem: 80 Prozent der Steuereinnahmen in den USA stammten aus dem Faktor Arbeit.

Bei der Präsentation des Buches am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos erklärt Brynjolfsson, dass ihn am meisten die Geschwindigkeit des Veränderungsprozesses überrascht habe. Er untermauerte dies: Große technologische Entwicklungen habe es in der Geschichte alle 70 Jahre gegeben, jetzt alle 18 Monate. "Das ist eine extrem kurze Zeit. Die Frage ist, ob Regierungen, Unternehmen, unsere Gesellschaft da mithalten können."

Am Ende des Buches verteilen die Autoren Ratschläge an Politik, an Unternehmen und an individuelle Personen, wie sie "im Wettstreit mit Maschinen" bestehen können. Investitionen in Bildung und Offenheit für Innovationen sind ihre zentrale Botschaften.

Mit welcher Rasanz sich die Welt verändert und welche Auswirkungen dies auf Daten hat, damit haben sich auch Viktor Mayer-Schönberger und Kenneth Cukier beschäftigt: Der Datenberg verdoppelt sich in weniger als drei Jahren und wächst damit viermal rascher als die Weltwirtschaft. Die Speicherdichte hat in den vergangenen 50 Jahren um das 50-Millionen-Fache zugenommen, heißt es in ihrem Buch Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird. Allein Google sammelt pro Tag 24 Petabye an Daten - das ist tausendmal so viel wie die gesamten Bestände der Bibliothek des US-Kongresses, der größten der Welt.

Das eröffnet neue Chancen, aber auch Risiken. Anhand von Beispielen schildern die beiden Autoren die Auswirkungen der Digitalisierung und der Datafizierung. Im Big-Data-Zeitalter ist es nicht mehr notwendig zu wissen, warum etwas passiert, sondern was: Assoziationen und Korrelationen werden wichtiger.

So werden sogar sogenannte Datenabgase gesammelt: wohin man im Netz klickt, wie lange man dort verweilt, was man eintippt. Daraus ziehen Firmen Schlüsse etwa zur Bedienerfreundlichkeit ihrer Homepage.

In ihrem neuesten Buch Learning with Big Data: The Future of Education, das in diesen Tagen erscheint, verweisen die beiden Autoren auf positive Projekte wie die Khan Academy. Mehr als 50 Millionen Studenten nutzen die kostenlosen Video-Lehreinheiten. Wie schon in ihrem im Vorjahr publizierten Buch warnen sie vor einer Diktatur der Daten und dass die Gefahr besteht, "Originalität und Kreativität" könnten außer Acht gelassen werden.

In einigen Bereichen überschneiden sich die Bücher, aber jedes besticht durch seinen eigenen Stil: am klarsten mit den anschaulichsten Beispielen ist das erste Big-Data-Buch, jenes der MIT-Forscher spannt den größten Bogen und punktet mit konkreten Empfehlungen, Laniers Buch wiederum ist am spritzigsten geschrieben. (Alexandra Föderl-Schmid, Album, DER STANDARD, 8./9.3.2014)