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Steffi Czerny.

Foto: APA/Sven Hoppe

STANDARD: Seit 2005 bittet Burda Media jährlich namhafte digitale Vordenker zur Digital-Life-Design-Konferenz (DLD). 2010 haben Sie auch noch DLD Woman gegründet. Warum brauchen Frauen eine eigene Internetkonferenz?

Czerny: Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass Frauen und Männer sich bei ihren Schwerpunkten im Internet unterscheiden. Frauen interessieren einfach andere Themen als viele Männer.

STANDARD: Wo sehen Sie die Unterschiede?

Czerny: Etwa bei der personalisierten Medizin. Herzinfarkte verlaufen bei Frauen anders als bei Männern, die beiden Geschlechter vertragen auch Aspirin nicht gleich gut. Da kann das Internet Hilfe bieten. Oder denken Sie an neue Technologien in der Fertilitätsforschung. Während wir miteinander sprechen, habe ich auch einen Schrittmacher um. Der zählt den ganzen Tag, ob ich mich genug bewege. So etwas interessiert Frauen. Aber die Werbung zielt meist auf Fitness für Männer ab. Also müssen wir Frauen uns extra austauschen. Wir sind ja auch eine gute Zielgruppe für die Werbung.

STANDARD: Und im Beruflichen? Sehen Sie diesbezüglich Unterschiede bei der Internetnutzung von Männern und Frauen?

Czerny: Es ist eine Generationenfrage. Meine Generation ist noch nicht selbstverständlich im Internet. Das hat sicher damit zu tun, dass Technik früher als reine Männerdomäne galt. Jüngere Frauen nutzen Smartphone und Laptop genauso wie Männer. Dennoch sehen viele Frauen noch nicht, welche Möglichkeiten ihnen die Digitalisierung bietet.

STANDARD: Nämlich?

Czerny: Wir Frauen können noch so emanzipiert sein - es wird immer ein Riesenspagat sein zwischen Beruf und Familie. Das Internet hilft, in der realen Welt besser zurechtzukommen, es ist eine verlängerte Form des Büros. Frauen müssen sich nur trauen, das Internet für ihre Belange einzusetzen. Ich hatte 1995 schon ein Handy und habe auch danach alle Neuerungen mitgemacht: Skype, Facebook, Social Media. Es hat mir mehr Freiheiten gebracht, ich konnte berufstätig sein und mit meinen Kindern in Kontakt bleiben. Oft arbeite ich auch von zu Hause und bin mit meinem Team vernetzt.

STANDARD: Ob ständige Erreichbarkeit ein gutes Mittel zur Karriereförderung ist, darf bezweifelt werden.

Czerny: Das ist eine nahezu philosophische Frage. Ich persönlich arbeite wahnsinnig gerne, aber gerade Frauen müssen auch wissen, wann sie den Off-Button drücken. Man darf sich vom Internet nicht versklaven lassen. Daher plädiere ich auch dafür, schon in der Schule Medienkompetenz zu lehren, und zwar nicht erst, wenn die Kinder 16, 17 Jahre alt sind und ohnehin bereits alles besser wissen als die Lehrer.

STANDARD: Wann würden Sie damit beginnen?

Czerny: Mit sechs, sieben Jahren. Kinder müssen lernen, mit dieser allzeit verfügbaren Informationsflut aus dem Internet umzugehen. Es wäre auch gut, wenn sie sehr bald Grundzüge des Programmierens lernen. Das muss so selbstverständlich werden wie Lesen und Schreiben. Wenn wir das nicht tun, dann gibt es weiterhin nur wenige Wissende, die uns alles weismachen können. Es würde auch Mädchen besser auf technische Berufe vorbereiten. Dieser Meinung sind übrigens auch Frauen wie Yahoo-Chefin Marissa Mayer oder Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg.

STANDARD: Sie sind mit vielen der Internet-Stars persönlich gut bekannt. Was treibt diese Leute an?

Czerny: Sie alle haben die Vision, dass wir eines Tages total vernetzt sind und unser Leben dadurch viel leichter wird. Mir gefällt, dass sie viel weniger pessimistisch in die Zukunft schauen als wir in Europa, wo wir eher Angst vor dem Scheitern haben. Amazon-Gründer Jeff Bezos will den Mars erforschen. So etwas Visionäres habe ich aus der deutschen Wirtschaft noch nie gehört. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 8./9.3.2014)