Der HCB Südtirol überraschte in seiner ersten EBEL-Saison alle, wohl auch sich selbst.

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Beeindruckende Ausbeute: Sieben Tore und sieben Vorlagen für Wiens François Fortier in sechs Saisonspielen gegen Villach.

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Sechs Monate lang suchten zwölf Klubs nach der idealen Komposition für ihr Eishockey-Orchester. Die acht stimmigsten Ensembles haben es in den Recall geschafft, sie duellieren sich ab Freitag um den Titel. Teil zwei unserer Vorschau auf die EBEL-Play-Offs widmet sich den Paarungen Bozen gegen Fehérvár und Wien gegen Villach.

Premiere wie aus dem Bilderbuch

Platz zwei nach dem Grunddurchgang erreicht, die Qualifikation für die nächstjährige Champions Hockey League geschafft: Das Fazit zur bisherigen Saison des im Sommer neu in die Erste Bank Eishockey Liga gekommenen HC Bozen fällt außerordentlich positiv aus und übertrifft auch die kühnsten Erwartungen der Südtiroler selbst. Erst 34 Tage vor dem ersten Meisterschaftsspiel nahmen die Füchse ihren ersten Spieler unter Vertrag. In Rekordzeit hat Trainer Tom Pokel, dem bei vorherigen Engagements in der Liga (Feldkirch, Graz) eher wenig Glück beschieden war, ein funktionierendes Team aufgebaut, dessen Konturen im Saisonverlauf noch nachgeschärft wurden.

Auf Basis seines schnörkellosen, geradlinig organisierten Spielsystems punktete der Neueinsteiger in 39 seiner 54 Spiele und überzeugte dabei eher defensiv als offensiv. Von den acht Play-Off-Teilnehmern erzielte bisher nur Székesfehérvár weniger Treffer als die Südtiroler (3,00 pro Spiel). Bozens Angriff wird primär von Ausgeglichenheit gekennzeichnet, in die Kategorie Torjäger fallen am ehesten noch MacGregor Sharp, Kim Strömberg und Žiga Pance. Topscorer des Teams ist Mark Santorelli, der jedoch in seinen ersten 16 Einsätzen mehr Punkte sammelte als in seinen letzten 38.

In Ermangelung dominanter Einzelspieler ist der HCB in Sachen offensives Output besonders stark von seinem Überzahlspiel abhängig. Das Powerplay, meist aufgebaut über Verteidiger Sébastien Piché, funktionierte im bisherigen Saisonverlauf passabel, aber nicht überragend.

Bereits im Januar erklärte Tom Pokel im kleinen Kreis Székesfehérvár zum Wunschgegner für das Viertelfinale, dank einer soliden Zwischenrunde bei gleichzeitigem Schwächeln der direkten Konkurrenz brachten sich die Südtiroler tatsächlich in die Position, die Ungarn für den Play-Off-Auftakt auswählen zu können. Trotz des langen Reisewegs ist diese Entscheidung nachvollziehbar, denn gegen kein anderes Team tat sich Bozens sonst mittelmäßiger Angriff mit dem Toreschießen so leicht: In den vier Saisonduellen gelangen im Schnitt 5,25 Treffer (im Vergleich zu 2,82 gegen die übrigen zehn Klubs), bei gleicher Spieleranzahl am Eis heulte die Torsirene mehr als doppelt so oft (alle 12:36 Minuten) wie in Partien gegen andere Gegner (25:33 Minuten).

Ziel: Erstmals ins Halbfinale

Zum dritten Mal in sieben Jahren EBEL-Zugehörigkeit schaffte Fehérvár AV19 den Sprung in die KO-Phase der Meisterschaft. Die Ungarn spielten in der Zwischenrunde groß auf, gewannen acht ihrer zehn Begegnungen und überholten in der Tabelle mit Graz, Dornbirn und dem KAC gleich drei Kontrahenten. Das Team von Marty Raymond pflegt einen eher defensiven Stil und verlässt sich in Angriff auf seine gut miteinander harmonierenden Imports. Speziell Colton Yellow Horn hinterließ bei seinem zweiten Versuch, in der Liga Fuß zu fassen, einen starken Eindruck: Der Ex-Salzburger punktete bei 69,8 Prozent seiner Auftritte, was ihn im ligaweiten Vergleich gemeinsam mit Dornbirns Luciano Aquino auf Platz fünf der konstantesten Scorer brachte.

Wie Yellow Horn gab auch Altstar Frank Banham (38) bisher 20 Mal seine Visitenkarte beim gegnerischen Goalie ab, in den vier Duellen mit Viertelfinal-Widersacher Bozen traf er jedoch nicht. Damit steht er symptomatisch für Fehérvárs Offensive, die gegen die Südtiroler im Schnitt 44:06 Minuten bei numerischem Gleichstand am Eis benötigte, um den Puck im Tor zu versenken. Das sonst eher dürftige Powerplay, im Effizienz-Ranking aller zwölf Teams nur auf dem zehnten Rang platziert, funktionierte gegen den HCB hingegen überdurchschnittlich gut.

Insgesamt sind die Chancen des ungarischen Serienmeisters, zum ersten Mal in seiner Klubgeschichte eine Play-Off-Runde in der EBEL zu überstehen, eher gering. Bozen verfügt über eine deutlich breiter und tiefer besetzte Mannschaft, die defensiv nur wenige Fehler macht. Wollen die Ungarn - wie schon in der Zwischenrunde, in der in fünf Auswärtsspielen ebenso viele Siege eingefahren wurden - überraschen, muss Goalie Zoltán Hetényi über sich hinauswachsen. Bei seinem bisher einzigen Karrierespiel gegen das Team von Tom Pokel wurde er nach gut 32 Minuten und fünf Gegentoren entnervt ausgewechselt, er wird hochmotiviert auf Revanche sinnen.

Noch nicht bei 100 Prozent

Nach einem über weite Strecken souveränen Grunddurchgang schwächelten die Vienna Capitals in den letzten Wochen ein wenig, gleich sechs der zehn Spiele in der Zwischenrunde gingen verloren. Speziell offensiv geriet der Motor ins Stocken, der Schnitt erzielter Treffer pro Spiel sank von 3,64 auf 2,30. Mit dem Villacher SV hat sich Trainer Tommy Samuelsson jedoch genau den richtigen Gegner für die gegenwärtige Situation ausgesucht: Wien gewann fünf der sechs Saisonduelle und brachte es dabei auf ein tolles Torverhältnis von 28:13, das aber freilich durch das verrückte 11:1 Mitte Januar verzerrt wird.

Besonders wohl fühlte sich in Spielen gegen die Adler heuer die Linie mit Benoît Gratton, François Fortier und Rafael Rotter, das Trio konnte gleich 33 Scorerpunkte - 5,5 pro Begegnung - für sich verbuchen. Nach einer 1:4-Heimniederlage im Oktober konnten die Capitals den VSV zuletzt vier Mal in Folge besiegen, seit mehr als 219 gespielten Minuten lagen sie gegen die Kärntner nicht mehr in Rückstand.

Hand in Hand mit dem beschränkten offensiven Output der letzten Wochen gingen beim Vizemeister auch unübersehbare Mängel im Überzahlspiel: In der Zwischenrunde vergingen mehr als 67 Minuten bei numerischem Vorteil, ehe der erste Treffer gelang (Anm.: der Saisonschnitt lag zuvor bei 7:59 Minuten). Am vergangenen Wochenende klappte das Powerplay allerdings mit fünf Toren in zwei Spielen wieder besser.

Betrachtet man den gesamten Saisonverlauf, so scheinen die Capitals in dieser Spielzeit nicht ganz so kompakt und dominant aufzutreten wie im Vorjahr. Zwischenzeitliche Schwächeperioden dauern länger an, die Umsetzung des Konzepts von Trainer Samuelsson erfolgt etwas weniger präzise. Vom Potenzial in allen Mannschaftsteilen her ist dem Team jedoch zweifelsfrei ein weiterer langer Play-Off-Run zuzutrauen.

Alles auf Angriff

Wie schon in der letzten Saison schaffte der Villacher SV die Qualifikation für das Viertelfinale auch in diesem Jahr ohne gröbere Probleme. Die Adler nahmen den "Wir greifen an"-Slogan ihrer PR-Abteilung wörtlich, am Ende des Grunddurchgangs hatten sie mit 195 mehr Tore erzielt als jedes andere Team in der Liga. Die 3,61 Treffer pro Partie entsprechen aktuell dem höchsten VSV-Wert seit zwölf Jahren.

Federführend verantwortlich für das blau-weiße Angriffsfurioso zeichnete das Duo John Hughes und Derek Ryan. Der Erstgenannte avancierte zum EBEL-Topscorer, seine 85 Punkte in der Regular Season wurden zuletzt in der Spielzeit 2006/07 von Todd Elik überboten. Sein kongenialer Linienkollege ließ das rote Signallicht hinter dem Tor gleich 38 Mal leuchten und unterstrich mit 57 Scorerpunkten bei Even Strength seine Position als effektivster Offensivspieler der Liga. Weniger gut lief es für Derek Ryan allerdings in den sechs Saisonduellen mit den Vienna Capitals, in denen ihm nur ein Treffer gelang. Fehlten seine Tore, wurde rasch Villachs ernstes Problem im Secondary Scoring sichtbar.

Größter Schwachpunkt der Adler war jedoch wie bereits im Vorjahr das unzureichende Defensivverhalten, das sich in durchschnittlich 3,22 Gegentreffern pro Spiel niederschlug - nur Innsbruck, Ljubljana und Dornbirn kassierten mehr. Wie lange die Play-Offs für den VSV heuer dauern, wird vornehmlich davon abhängen, wie deutlich sich das Team im Spiel in der eigenen Zone konsolidieren und steigern kann.

In Anbetracht der übrigen Paarungen im Viertelfinale stellt das Duell zwischen Wien und Villach die wohl brisanteste Begegnung dar. Die beiden Klubs trafen in ihrer Play-Off-Geschichte zwar erst zwei Mal aufeinander, in beiden Fällen zog der Sieger allerdings später ins Finale ein. In einer heiß umkämpften, über die volle Distanz gehenden und parallel auch vor Gericht (Anm.: Capitals gegen den ÖEHV bezüglich der Spielberechtigung für Philippe Lakos und Oliver Setzinger) ausgetragenen Serie im Jahr 2003 hatte der VSV das bessere Ende für sich, zwei Spielzeiten später revanchierte sich Wien mit einem Sweep an den damals mit vier NHL-Lockout-Spielern gepimpten Adlern. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 6.3.2014)