Neben den Ereignissen auf der Krim verblassen die Probleme, an denen man sich in Österreich abarbeitet, naturgemäß ein wenig. Kleiner werden sie damit nicht, wie zuletzt die diversen Darbietungen zum Aschermittwoch in Erinnerung gerufen haben. Weniger der Routineauftritt Straches, der mit einem Kalauerangebot, das wie dem Repertoire Jörg Haiders entnommen wirkt, seinen auch nicht mehr originellen Pflichttermin in Rieder Bierzeltatmosphäre absolviert hat. Der krachlederne Versuch, andere für die Folgen der politischen Untaten der blauen Sonne verantwortlich zu machen, überzeugt außer freiheitliches Urgestein kaum jemanden. Die Art, wie sie aufgearbeitet werden, sichert ihm einen gewissen Wählerzulauf dennoch, weshalb er sich gar nicht erst anstrengen muss, seriös aufzutreten.

Keine christliche Barmherzigkeit

Wie stark dieser Zulauf bis zum 25. Mai sein wird, liegt weitgehend bei der Koalition, und da zurzeit in erster Linie beim Finanzminister. Der wirkt nicht nur in dieser von ihm unvorsichtigerweise heiß begehrten Funktion überfordert, sondern vor allem auch in der, um die er sich vielleicht weniger gerissen hat - als Parteiobmann. Seine Beteuerungen, er werde nach der EU-Wahl nicht als Kommissar nach Brüssel gehen, sondern in Wien bleiben, sind möglicherweise so glaubwürdig wie seine herbstliche Ankündigung, er werde demnächst Bundeskanzler, vor allem aber beantworten sie nicht die Frage, als was er dann in Wien übrigbleibt.

Es ist nicht eben christliche Barmherzigkeit, was seine Partei in diesen Wochen an ihm übt, der doch jegliche Unterstützung brauchen könnte. Die ÖVP hat ihm den Misserfolg bei der Nationalratswahl nicht verziehen, sich aber auch nicht aufgerafft, daraus die logische Konsequenz zu ziehen. Das war nicht einfach ein Fehler. Denn dafür hätte man überzeugende personelle Alternativen haben müssen, und eine solche drängte sich in der tristen Lage, so sie überhaupt vorhanden war, lieber nicht auf.

Gefangener seiner Partei

Spindelegger ist weniger ein Gefangener seiner Beamten, wie ein Morgenluft witternder Wirtschaftskammerpräsident nicht nur einmal höhnte, als er ein Gefangener seiner Partei ist, um nicht das Bild einer der Erlösung entgegenharrenden Geisel zu malen. Aufrufe zur Geschlossenheit der Volkspartei prallen immer wieder an gesellschaftspolitischen Tatsachen ab, wenn etwa Vorstellungen zur Schulpolitik oder zu Rechten von Homosexuellen nicht mehr allein von Vertretern eines ÖAAB-Christentums vorgegeben werden können, wenn eine Vermögenssteuer plötzlich nicht mehr überall tabu ist, aber auch, wenn die Wirtschaftsfraktion einer sich als Partei der Wirtschaft spürenden Truppe droht, die parlamentarische Gefolgschaft aufzukündigen.

Unzeitgemäß und fruchtlos

Auf solche Erosionserscheinungen mit Diskussionsverboten zu antworten ist nicht nur unzeitgemäß, es ist vor allem völlig fruchtlos, wenn man sich der Reaktionen aus der Westachse oder an jene von Andrä Rupprechter erinnert. Wenn Josef Pühringer am Wochenende in den SN meinte, "dass die ÖVP sicherlich über einige Positionen diskutieren muss", blieb nur noch offen, ob die Diskussion vor oder nach der EU-Wahl abgeschlossen werden soll. Und Leitl wird er nicht gemeint haben. (GÜNTER TRAXLER, DER STANDARD, 7.3.2014)