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Elegant Klassisches von Hermès,..

Foto: ap/camus

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...Leuchtendes im Supermarkt von Chanel.

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Mehr als eine Woche saß Paris auf glühenden Kohlen. Ausgerechnet am allerletzten Tag der Fashion Week sollte Nicolas Ghesquière, der vorher 16 Jahre gefeierter Chefdesigner beim Modehaus Balenciaga war, seine erste Kollektion für Louis Vuitton zeigen. Marc Jacobs hatte das Label mit dem legendären Monogramm nach fast 17 Jahren an der Spitze verlassen, um sich ganz auf seine eigene Marke zu konzentrieren.

In Paris hat man sich an das ewige Bäumchen-wechsle-dich-Spiel längst gewöhnt. Schließlich verwandelte Hedi Slimane die elegante Yves-Saint-Laurent-Trägerin erst kürzlich in eine abgemagerte Teenager-Göre mit Rocker-Attitüde. Auch das Modehaus Dior wurde vor ein paar Saisonen komplett umgekrempelt. Vorbei der barocke Pomp eines John Galliano, Raf Simons machte aus der Traditionsmarke ein puristisches Avantgarde-Label. Aber was wird nun aus Louis Vuitton?

OP-Kittel bei Jacquemus

Bevor die Branche darauf eine Antwort bekam, musste sie erst einmal die OP-Kittel überwerfen. Weiße Schürzen mit bunten Punkten waren die Bedingung, um in die Show von Jacquemus zu kommen. Das Verkleiden hat sich gelohnt, der 24-Jährige zeigte eine gelungene dritte Kollektion. Sportswear-Elemente wie Neopren kombinierte er mit schlabberigen Anzughosen und weißen Sneakers. Dekonstruierte Schnitte und übertriebene Formen verliehen der Kollektion einen Hauch Couture. Seine vielversprechenden Entwürfe haben den jungen Franzosen sogar unter die Finalisten des neu eingeführten LVMH-Talentpreises gebracht, der mit 300.000 Euro dotiert ist und dieses Jahr zum ersten Mal vergeben wird.

Dries Van Noten dagegen blickt bereits auf 30 Jahre Karriere zurück und eröffnete während der Fashion Week seine sehenswerte Ausstellung "Inspirations" im Museum Les Arts Décoratifs. Eine Art Retrospektive - aber eben nicht nur. Ein Gemälde von Kees van Dongen hängt gleich neben einem Entwurf aus der Kollektion von 2003, ein Werk von Vasarely hinter einem Kleid mit ähnlichem Op-Art-Muster.

Offen und ehrlich wie kein anderer Designer gibt er seine Inspirationen preis und liefert so einen erhellenden Einblick in sein reiches Universum. Sein modisches Können stellte der belgische Designer bereits einen Tag vorher unter Beweis und zauberte aus sich steigernden Gegensätzen eine sinnliche Winterkollektion, die wie ein Best-of seiner Mode wirkte. Maskuline Mäntel treffen auf feminine Rüschen, grafische Wellenmuster auf romantische Blumenmotive, dazu seine berühmten starken Farben.

Neue Töne

Andere Designer überraschten mit neuen Tönen. Haider Ackermann, sonst eher für komplizierte Drapierungen bekannt, zeigte diesmal eine ungewohnt zurückgenommene Linie. Geräuschlos, begleitet nur von dumpfen Schlägen, eröffnete das erste Model in einer schlichten taupegrauen Flanellkombination aus Oberteil, Hose und bodenlangem Mantel die Show. Auch wenn Schuberts Klaviertrio Nr. 2 danach immer lauter wurde, blieben Silhouetten und Farben für Ackermann erstaunlich reduziert.

Auch Isabel Marant hatte Lust auf Veränderungen. Ihre sonst eher eng anliegenden Skinny Pants und kurzen, flatterigen Kleidchen machten Platz für kastenförmige Jacken mit breiten Schultern und weiten Hosen, die lässig in der Taille gebunden werden.

Turnschuhe sind definitiv das neue Fetischobjekt von Karl Lagerfeld. Für Chanel entwarf er sie in leuchtenden Neonfarben, mit schimmernden Metallic-Effekten und als Stiefel mit Schnürung bis kurz unter die Knie. Dazu kombinierte er sportliche Strickleggings, Rollkragenpullover und etliche Variationen des typischen Chanel-Tweeds. Aber eigentlich schaute ohnehin kaum einer auf die Mode. Denn unter der imposanten Kuppel des Grand Palais hatte Lagerfeld einen riesigen Supermarkt aufbauen lassen mit meterhohen, prall gefüllten Regalen. Jede einzelne Etikette der Nudel-, Suppen- oder Kaffeepackungen war mit einer Chanel-Aufschrift versehen. Die Models gingen dazwischen mit Einkaufswagen shoppen. Ein herrliches Spektakel.

Friedlicher Abschluss

Dagegen war die Show von Hermès im Palais Brongniart ein geradezu kontemplatives Erlebnis. Abgetrennt durch große Samtvorhänge, saßen die Gäste in kleinen Séparées, um sich die elegante und klassische Kollektion von Christophe Lemaire anzuschauen. Mit locker sitzenden Kaschmirhosen, voluminösen Mänteln, wadenlangen weiten Röcken und feminin in der Taille gebundenen Gürteln nahm die Fashion Week einen gelungenen, friedlichen Abschluss, nachdem am frühen Morgen das lange Warten endlich ein Ende gefunden hatte.

Leiser als erwartet machte Ghesquière am Mittwochmorgen sein Vuitton-Debüt. Im Hof des Louvre fuhr weder eine dampfende Lokomotive aus der Kulisse, noch drehte sich ein buntes Karussell auf dem Laufsteg. Der quadratische Glaspavillon war lediglich mit sandfarbenem Teppich ausgelegt. Ein diskretes Setting, das den Ton für die nachfolgende Kollektion angeben sollte. A-förmige Kleider, grafische Linien und eine Farbgebung in Beige, Braun und Rostrot erinnerten an die frühen 1970er-Jahre. Sexy Lacklederhosen wurden mit konservativen Pullundern aufgebrochen, Reißverschlüsse brachten sportliche Elemente ins Spiel. Ein gelungener Anfang. Alles andere als bahnbrechend, aber nach Jahren des Show-offs sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung für die Mode von Louis Vuitton. (Estelle Marandon aus Paris, DER STANDARD, 7.3.2014)