Unrundes Gipfeltreffen in Sachen "Mary Poppins": Emma Thompson als Kinderbuchautorin P. L. Travers und Tom Hanks als Trickfilmtycoon Walt Disney in "Saving Mr. Banks".

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US-Regisseur John Lee Hancock (57).

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Wien - Im April 1961 reist die Kinderbuchautorin P. L. Travers aus London nach Los Angeles. Vor vielen Jahren hat sie einem gewissen Walt Disney die Option auf eines ihrer Werke verkauft. Jetzt rechnet er mit dem Zuschlag für die Verfilmung und hat Travers die Möglichkeit eingeräumt, bei letzten Vorbereitungen mitzuwirken.

Dass er Mary Poppins, die Geschichte vom Kindermädchen, das zaubern kann, in die Kinos bringen wird, steht für Disney außer Zweifel. P. L. Travers dagegen ist hin- und hergerissen zwischen ihren präzisen - und sehr entschlossen vorgebrachten - Vorstellungen und jenen Kindheitserinnerungen, die sich in der Geschichte und den Figuren ihres Bestsellers widerspiegeln.

Während also in einem Proberaum gleich ums Eck vom Büro des Chefs an den späteren Evergreens aus dem Film gefeilt wird, gehen die Gedanken von Travers zurück ins australische Niemandsland, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts aufwächst. Mit der Zeit erhellt sich der innere Zusammenhang der beiden Ebenen: Die Arbeit am Film hat auch therapeutischen Charakter.

Saving Mr. Banks heißt dieser Rückblick auf die Vorgeschichte eines Disney-Prestigeprojekts, der jetzt bei uns ins Kino kommt. Emma Thompson brilliert als P. L. Travers: Ihre in feinstem britischem Idiom artikulierten Sätze knallen wie Peitschenhiebe auf die Amerikaner nieder. Ihr Auftreten ist dynamisch und unbeirrbar. Die Charmeattacken von Walt Disney, den Tom Hanks spielt, prallen lange an Travers ab. Auch schauspielerisch gibt Thompson den Ton an.

John Lee Hancock hat den Film inszeniert, im Standard-Telefoninterview erzählt der Texaner, man habe ihm das Drehbuch von Kelly Marcel zugeschickt - es habe ihn gleich angesprochen: "Ich ging mich also vorstellen, und zum Glück bekam ich den Job." Hancock seinerseits erwarb sich in den frühen 90er-Jahren erste Meriten in Hollywood mit den Drehbüchern zu Perfect World und Midnight in the Garden of Good & Evil, die beide von Clint Eastwood verfilmt wurden. Sein voriger Film war 2009 das Gesellschaftsdrama The Blind Side mit Sandra Bullock, das er schrieb und inszenierte. Was ist also anders, wenn man ein fremdes Buch adaptiert?

Hancock sagt, er habe "noch keine Nachteile entdeckt. Es ist toll, ein Gegenüber zu haben, das in die Geschichte ebenso tief involviert ist wie man selber. Die beiden Male, wo ich ein fremdes Buch verfilmt habe, waren die Autoren immer mit am Set, weil es gut ist, Resonanz auf die eigenen Ideen zu haben. Umgekehrt kann es einsam werden, wenn man alles selber macht und nur sein Spiegelbild befragen kann."

Saving Mr. Banks beruht auf einer wahren Begebenheit - dafür scheint Hancock (siehe The Blind Side) eine Vorliebe zu haben? "Das hat sich eher so ergeben. Wenn man etwas Großartiges liest und dann noch erfährt, dass sich das wirklich ereignet hat, fügt das noch ein bisschen Glanz hinzu." Neuerdings scheint Hancock aber auch in den Drehbuchcredits von Märchenfilmen wie Maleficent auf - dabei handele es sich um Überarbeitungen, die er vornehme: "Man wird wirklich angeheuert, um bestimmte Probleme mit dem vorhandenen Material zu lösen, es zu strukturieren, zu straffen. Ich mag es, quasi unter der Motorhaube der Geschichte nachzuschauen, was funktioniert, was nicht und was noch besser funktionieren könnte. Dabei ist wurscht, ob es sich um ein Märchen oder eine Tatsachenstory handelt: Die Dialoge müssen in Bezug zur Figur da wie dort stimmig sein."

Hancocks aktuelle Zusammenarbeit mit Disney war übrigens nicht seine erste. 2004 wurde er für den Neo-Western The Alamo engagiert, der rund 107-Millionen-Dollar-teure Film floppte. War das jetzt noch Thema? "Nein. Ich habe es damals genossen, den Film zu machen. Dass er ein finanzieller Misserfolg war - na ja, das kann immer passieren. Das Geschäft ist hart. Man verliert, man gewinnt - und man kann nur hoffen, dass Letzteres häufiger vorkommt."

Lieder im Kopf

Und wie erinnert eigentlich der Regisseur seinen Erstkontakt mit Mary Poppins als Kind im Kino? "Ich wünschte, ich könnte mich erinnern! Ich habe ihn mehrfach gesehen, aber von der ersten Vorführung weiß ich nichts mehr. Ich würde jetzt gern eine tolle Geschichte erzählen. Mir sind vor allem die Lieder im Kopf geblieben - und Dick van Dykes schrecklicher Akzent." (Isabella Reicher, DER STANDARD, 6.3.2014)