Jenny Simanowitz.

Foto: HO

Es ist 20.00 Uhr, an einem kalten Abend im Februar. Ich bin von einem großen Pharmakonzern eingeladen worden, ein halbstündiges „Communications Cabaret“ zum Thema interkulturelle Kommunikation, anlässlich der jährlichen Tagung für Country-Manager in Wien zu halten. Veranstaltungsort: ein feines Restaurant im ersten Bezirk. 44 Wien Männer und sechs Frauen – aus verschiedenen europäischen Ländern.

Erst kommt die Vorspeise. Dann hält der Geschäftsführer aus Österreich eine Rede, die mit Insider-Witzen gespickt ist. Vor allem die Männer lachen schallend. Sie geben Zwischenrufe von sich und unterbrechen ihn oft mit Kommentaren. Wenn ein Mann einen witzigen Kommentar macht, fühlt sich anscheinend sofort ein anderer verpflichtet, ihn zu übertreffen.

Nach der Rede bin ich an der Reihe. Mein Input zur Veranstaltung soll humorvoll und zur Sensibilisierung des Denkens und Handelns im Umgang mit verschiedenen Kulturen beitragen.  Oft schon wurde diese Performance  vom Publikum begeistert aufgenommen. Hier aber fühle ich mich eher zu einem Pausenclown gemacht, denn die Männer konzentrieren sich weit mehr auf ihren Konkurrenzkampf untereinander als auf mich. Sie lachen zwar, aber das Lachen ist eine Spur zu laut, zu lang und mit Zwischenbemerkungen und Schmähs  aufgepeppt.  Als ich fertig bin, klatschen sie zwar energisch, aber sie vergessen mich danach gleich wieder und beginnen sich sofort miteinander zu unterhalten. Ich verabschiede mich und sie bedanken sich unbeteiligt.

"Maskuline" und "feminine" Kulturen

Dieser Abend war wie eine Rückblende in die Anfangsjahre meiner Arbeit, als ich oft bei Veranstaltungen dieser Art mitgewirkt habe. In den letzten zehn Jahren habe ich solche Situationen vermieden und mich auf andere Arten von Organisationen konzentriert - Non-Profit Gesellschaften, Universitäten oder Verwaltungsorganisationen, wie z.B Magistrate. Vor allem habe ich viel mit Frauen oder mit Organisationen gearbeitet, in denen Frauen einen erheblichen Einfluss ausüben.  An diesem Abend jedoch erlebte ich eine Art Kulturschock, weil ich realisierte, dass sich in den letzten zehn Jahren in Unternehmen wie diesem, in denen sich überwiegend Männer, - vor allem auch in der Führungsetage - befinden, sehr wenig geändert hatte.

Der bekannte niederländische Soziologe Gert Hofstede unterscheidet zwischen  „maskulinen“ und „femininen“ Kulturen. Feminine Kulturen sind vor allem durch "weibliche" Eigenschaften wie Mitgefühl, Toleranz, soziale Ausrichtung und eine gewisse Sympathie für Schwächere gekennzeichnet. Auch die Geschlechterrollen sind in diesen Kulturen eher weniger strikt getrennt. Paradebeispiele für feminine Kulturen sind die niederländische Kultur sowie die der skandinavischen Länder. Maskuline Kulturen  sind mehr durch "kriegerisch-männliche" Eigenschaften gekennzeichnet: Konkurrenz und Leistung sind vorrangig. Nur der/die Beste zählt, Toleranz und Mitgefühl spielen eine untergeordnete Rolle. Geschlechterrollen sind relativ strikt getrennt. Als typische maskuline Kulturen gelten z.B. die USA, Japan und Deutschland.

Unternehmenskulturen verändern

Wirtschaftliche Strukturen in Ländern wie Österreich, in denen es keine Frauenquote gibt, gehören zur maskulinen Kultur, weil die einflussreichen Posten fast alle von Männern besetzt werden, die mit den geltenden Werten und Verhaltensweisen anscheinend gut klarkommen. Das führt notgedrungen zu immer mehr Leistungs- und Konkurrenzdruck,  die die ganze Organisation in Stress versetzt - was indirekt  auch zu einer Steigerung psychischer Erkrankungen wie Burnout und Depression führt.

Ich bin überzeugt, dass Frauen, trotz Gesetzesänderungen und Gleichberechtigung kaum eine reale Chance haben, Einfluss zu gewinnen, solange sich die maskuline Organisationskultur nicht stärker an den femininen Werten orientiert. Denn welche Frau, die etwas auf sich hält, wird sich freiwillig einem Klima aussetzen, in dem sie sich jede kleine Anerkennung schwer erkämpfen muss? Andereseits aber gilt auch: So lange Frauen nicht überzeugt sind, dass es an der Zeit ist, die Unternehmenskultur mehr in einer Richtung zu bewegen, die ihren Bedürfnissen entspricht, wird sich kaum etwas verändern. Jedoch wollen wir doch alle ein glücklicheres, sinnvolleres Leben genießen, in dem wir sowohl engagiert arbeiten können, als auch (und das betrifft sowohl Frauen als Männer) genug Zeit für die Familie, Freundinnen und Freunde sowie unsere Hobbys haben.

In beinahe jeder Studie zur Glücksforschung der letzten Jahre wird festgestellt, dass die Bevölkerung in Ländern mit einer femininen Kultur, zum Beispiel Dänemark, an erster Stelle rangieren. Eine Motivation, dass wir Frauen doch weiterkämpfen müssen! (Jenny Simanowitz, derStandard.at, 7.03.2014)