Zürich - Moore haben einen hohen Anteil an Huminstoffen, die beim Abbau von abgestorbener Pflanzenmasse entstehen. Unter sauerstofflosen Bedingungen können Bodenbakterien diese organischen Verbindungen für ihren Energiestoffwechsel verwenden, und zwar als Elektronenempfänger. Denn beim Stoffwechsel werden Elektronen frei, die von den Organismen abgegeben werden müssen. Die Rolle des Elektronenempfängers spielt bei vielen Lebewesen (auch bei uns Menschen) Sauerstoff.

Mitte der 1990er Jahre wiesen Forscher aber nach, dass unter sauerstofflosen Bedingungen, wie sie in nassen Moorböden oder Sedimentsystemen herrschen, auch die Huminstoffe Elektronen aufnehmen können. Die Aufnahmekapazität dieser Moleküle ist allerdings beschränkt. Sind sie nicht mehr in der Lage, die freien Elektronen aufzunehmen, suchen sich die Bakterien andere Empfänger wie Kohlendioxid. "Veratmen" die Mikroorganismen das Kohlendioxid, entsteht als Stoffwechselabfallprodukt Methan, ein sehr potentes Klimagas. Dadurch tragen Feuchtgebiete wie Moore 15 bis 40 Prozent zur weltweiten Methanfreisetzung bei. Dennoch ist in vielen Feuchtgebieten die Methanfreisetzung niedriger als man aufgrund der Fläche, die diese Ökosysteme bedecken, und der mikrobiellen Aktivität in diesen Systemen erwarten würde.

Nützlicher Kreislauf

Forscher um Michael Sander der ETH Zürich entdeckten nun einen Prozess, der diese vergleichsweise geringen Methanfreisetzungen erklären könnte. Wie die Wissenschafter aktuell im Fachblatt "Nature Geoscience" berichten, konnten sie mithilfe eines Modellsystems demonstrierten, dass die Elektronenaufnahmekapazität der Huminstoffe regeneriert werden kann, wenn dem System zeitweilig Sauerstoff zugeführt wird. Dadurch geben die organischen Substanzen ihre unter sauerstofflosen Bedingungen gesammelten Elektronen an den Sauerstoff ab, was die Aufnahmekapazität der Huminstoffe auf ihren Anfangswert ansteigen lässt. Bei erneutem Ausschluss von Sauerstoff können die Bakterien die Huminstoffe dann wieder als Elektronenempfänger nutzen statt Elektronen auf Kohlenstoffdioxid zu übertragen. So verhindert dieser Kreislauf, dass Mikroorganismen in natürlichen Systemen mit hohem Anteil an organischen Substanzen dauerhaft hohe Mengen an Methan bilden.

In ihrem Labormodell verwendeten die Forscher das Bakterium Shewanella oneidensis MR-1, das ursprünglich aus dem Sediment eines New Yorker Sees isoliert wurde und im Labor gut kultivierbar ist. Dieses Bakterium ist fakultativ anaerob, kann also sowohl unter sauerstofflosen Bedingungen als auch mit Sauerstoff leben. Als Elektronenempfänger setzten die Wissenschafter verschiedene gut untersuchte Huminstoffe ein.

Vergleichbare Mechanik in Mooren

Die Ergebnisse der Studie helfen, die Kohlenstoffdynamik in natürlichen Feuchtgebieten, die periodisch sauerstofflos sind, besser zu verstehen. Der nun beschriebene Mechanismus spielt sich in großem Massstab etwa in Hochmooren oder Sedimenten ab. Fällt zum Beispiel in einem Moor der Wasserstand zeitweise ab, gelangt Sauerstoff in dieses System. Die dort reichlich vorhandenen Huminstoffe, die zuvor unter Sauerstoffausschluss Elektronen speicherten, können diese abgeben und ihre Aufnahmekapazität regenerieren. Auf diese Weise funktionieren solche Umweltsysteme wie gigantische Akkus, die sich periodisch laden und entladen. Dieser Wechsel wiederum unterdrückt die Bildung von Methan.

Sander und seine Kollegen haben überdies berechnet, wie viel zusätzliches Methan aus Mooren in die Atmosphäre gelangen würde, regenerierte sich die Aufnahmekapazität der Huminstoffe nicht. So schätzten sie zunächst für Moore ab, wie viele Elektronen diese organischen Moleküle aus dem bakteriellen Stoffwechsel aufnehmen können. Ihr Fazit: Wenn die überschüssigen Elektronen nicht auf Huminstoffe sondern auf Kohlendioxid übertragen werden, könnten aus Feuchtgebieten zusätzlich zum gemessenen Grundausstoß bis zu 166 Prozent mehr Methan entweichen. "Das zeigt, dass der Elektronentransfer auf Huminstoffe und deren Regeneration ein bedeutender Umweltfaktor sind", so Sander. Um diesen Prozess noch besser zu verstehen, wollen die Wissenschafter im Sommer in einem naturbelassenen Hochmoor in Mittelschweden weiterforschen. (red, derStandard.at, 9.3.2014)