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Sicherheitskräfte marschierten nach dem Massaker in Kunming auf und machten Jagd auf einen flüchtigen mutmaßlichen Täter. 

Foto: APA/EPA / Yu Li

Bei einem mit äußerster Brutalität ausgeführten Massaker auf dem Bahnhof von Kunming im Süden Chinas sind am Samstag mindestens 33 Menschen getötet worden; 29 Reisende starben durch Messerstiche, vier Täter wurden von der Polizei erschossen. Bis Sonntagmittag wurden in Hospitälern der Provinzhauptstadt von Yunnan - rund 2000 Kilometer südöstlich der Unruheprovinz Xinjiang - über 130 Verletzte behandelt.

Zur offenbar geplanten Terrorattacke kam es unmittelbar vor der heute, Montag, in Peking beginnenden Jahresversammlung des Parlaments; die extremen Sicherheitsvorkehrungen werden nun noch weiter verschärft.

Am Sonntag mobilisierte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als Vorsitzender des neuen Nationalen Sicherheitsrats die Polizeibehörden zur restlosen Aufklärung des Anschlags, meldete die Nachrichtenagentur Xinhua. "Das zügellose Momentum des Terrorismus muss unterdrückt werden. Alle müssen sich der schweren und komplizierten Lage bewusst werden." Die Behörden von Kunming sprachen von gefundenen Beweisen für einen Anschlag durch "Xinjianger Terroristen".

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich entsetzt über den "schrecklichen Angriff auf unschuldige Zivilisten".

"Organisierte Attacke"

Eine Gruppe von mindestens zehn Männern, hatte am Samstag um 21.20 Uhr mit Messern und Hacken den belebten Bahnhof der Metropole Kunming überfallen. Sie richtete unter den Reisenden in "vorsätzlicher und gezielter Weise" ein Massaker an, meldete Xinhua. Unter den Opfern seien viele Wanderarbeiter, die nach dem Frühlingsfest wieder zu ihren Arbeitsstellen in den Städten zurückkehren wollten. Die Behörden sprachen von einer "organisierten, vorbereiteten, terroristischen Gewaltattacke".

Die Polizei habe einen der Angreifer festnehmen können, nach einem weiteren wurde noch gefahndet. Sie machte keine Angaben zur Identität der Täter, deutete aber einen Xinjianger Hintergrund an.

Augenzeugen berichteten, dass alle Täter schwarze Kleidung trugen. Mit "langen Messern" hätten sie Jagd auf die in Panik fliehenden Menschen gemacht. Webseiten zeigten Bilder und Videos von chaotischen Szenen und blutenden Menschen. Xi schickte Polizeiminister Meng Jianzhu und den für öffentliche Sicherheit zuständigen Staatsrat Guo Shengkun noch in der Nacht zum Sonntag nach Kunming.

Die Bluttat mit terroristischem Hintergrund überschattet die am Montag beginnenden und bis 12. März dauernden Sitzungen der beiden Kammern des Volkskongresses. Chinas seit einem Jahr amtierender Premier Li Keqiang, der dem Parlament am Mittwoch seinen ersten Rechenschaftsbericht vorlegen will, verlangte, dass an allen öffentlichen Plätzen Chinas die Sicherheitsmaßnamen verschärft werden.

Das Parteiorgan Volkszeitung und Xinhua riefen zur äußersten Wachsamkeit auf; sie forderten, Terroristen mit "harter Hand" und mit "null Toleranz" zu verfolgen und zu bestrafen. Nur so "können wir wirksam unsere soziale Stabilität sichern und die Würde des Rechts beschützen".

Xinhua sprach von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und von "Chinas 9/11". Man sehe, dass die Terroristen nun ihren Kampf überall nach China hineintragen wollten. Pekings eben beschlossene Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats sei nun umso mehr gerechtfertigt.

Immer wieder waren im vergangenen Jahr und zuletzt im Jänner aus der Unruheprovinz in Nordwestchinas moslemisch bewohnter Provinz Xinjiang blutige Überfälle ethnischer Uiguren auf Polizeistationen und Passanten gemeldet worden. Die Polizei erschoss dabei dutzende "organisierte Terroristen", die Teil einer von uigurischen Exilorganisationen im Ausland gesteuerten, islamisch geprägten Aufstandsbewegung seien. Diese kämpfe für eine Abspaltung Xinjiangs. Kritiker sprechen dagegen von lokalen ethnischen Konflikten zwischen Uiguren und der chinesischen Oberherrschaft als Folge einer verfehlten Minderheitenpolitik.

Hunderte Tote seit 2009

Am 5.Juli 2009 war es zu den bisher schwersten ethnischen Unruhen in der Xinjiang-Hauptstadt Ürümqi gekommen, bei denen mehr als 200 Menschen, vor allem Han-Chinesen, ums Leben kamen. Peking machte damals für den Ausbruch der Unruhen, die es mit systematischer Repression beantwortete, außerhalb Chinas operierende uigurische Unabhängigkeitskräfte und ihre Allianz des Terrorismus, religiösen Extremismus und Separatismus verantwortlich.

Weltweites Aufsehen erregte der Konflikt, als er am 28. Oktober 2013 nach Peking gelangte: Mit einem mit 400 Liter Benzin beladenen Jeep fuhr eine dreiköpfige uigurische Familie, offensichtlich in Selbstmordabsicht, gegen einen Brückenpfeiler vor dem Tiananmen-Tor. Bei der Explosion starben fünf Menschen, 40 wurden verletzt. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 3.3.2014)