Clemens Mungenast: Reformen und interne Kontrolle.

Foto: Privat

Bild nicht mehr verfügbar.

In der Finanzabteilung der Salzburger Landesregierung wurde das hochriskante Portfolio des Landes weitgehend zurückgefahren, die Schulden daraus bleiben den Salzburgern allerdings.

Foto: APA/Neubauer

Die wenig geneigte österreichische Öffentlichkeit ist inzwischen einigermaßen desensibilisiert, wenn es um den Verlust von Millionen- und Milliardenbeträgen für die öffentliche Hand geht. Während all der Debatten, zuletzt um die Hypo-Alpe-Adria-Bank, geriet beinahe in Vergessenheit, was sich vor nur einem Jahr ereignete: Im Jänner 2013 wurde bekannt, dass das Land Salzburg über ein enormes, hochriskantes Finanzportfolio verfügte.

Der Abbau dieses Portfolios ist bereits so gut wie abgeschlossen. Die Folgen der Spekulation werden aber in Form einer höheren Verschuldung noch lange spürbar bleiben. Das wirft die Frage nach den Lehren aus der Finanzcausa auf. Sicher scheint, dass es nicht reicht, auf lokale Besonderheiten und einzelne Akteure zu verweisen.

Zu große Spielräume

Das Erstaunlichste an diesem Finanzskandal ist, dass die immensen Spekulationen so lange andauern konnten und dass ein Verwaltungssystem einzelnen Personen derart große Spielräume eingeräumt hat. Dieses Phänomen ist allerdings kein Salzburger Spezifikum. Große und wenig kontrollierte Handlungsspielräume sind in der österreichischen Verwaltung strukturell vorhanden, ebenso wie die damit einhergehenden Risken.

Diese großen Handlungsspielräume können unterschiedlich genutzt werden. Manchmal wird möglichst wenig damit gemacht. Manchmal werden die Gestaltungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft, bis zum Verstoß gegen geltende Vorschriften.

Die Ursache für die übergroßen Handlungsspielräume Einzelner ist auf Charakteristika der österreichischen Verwaltungskultur zurückzuführen:

Q Erstens gibt es einen chronischen Mangel an präzisen strategischen Vorgaben, Zielsetzungen und Handlungsrahmen. Das beginnt bei der Politik und zieht sich durch die darunter liegenden Verwaltungsebenen.

Q Zweitens verlässt sich die Verwaltung weiterhin in zu hohem Ausmaß auf das bestehende legistische Instrumentarium: Gesetze, Verordnungen und Erlässe. Das Legalitätsprinzip ist ein essenzieller Baustein in unserer Verfassung, das mag richtig sein. Aber die Gesetze und Verordnungen allein reichen als Steuerungsinstrumente nicht aus. Sie müssen durch Prozesse begleitet sein, die systematisch implementiert und nach klaren Standards kontrolliert werden.

Q Drittens sind sozialwissenschaftliche Steuerungsinstrumente in der Verwaltung generell noch unterentwickelt. Modernes Risikomanagement zum Beispiel steckt noch weitgehend in den Kinderschuhen. Eine immer noch weit verbreitete Kultur der Intransparenz, meist schwach ausgeprägte interne Kontrollmechanismen und mangelnde Fehlerkultur tragen dazu bei, dass Missstände erst sehr spät zutage treten.

Q Viertens gibt es im Bereich des Personalwesens in der österreichischen Verwaltung ein weiteres Strukturproblem: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verweilen oft viele Jahre am selben Arbeitsplatz. Sehr unterschiedliche organisatorische Subkulturen entstehen. Die Rekrutierung erfolgt meist unsystematisch, und bei der Besetzung von Leitungspositionen stehen trotz aufwändiger Verfahren meist persönliche und politische Loyalitäten im Vordergrund.

Der skizzierte Befund trifft auf manche Behörden und Einrichtungen mehr und auf andere weniger zu. Verwaltungsreformen werden seit mehr als 20 Jahren in unterschiedlicher Intensität gesetzt. Dennoch kann kein Zweifel bestehen: Es sind weitere tiefgreifende strukturelle Reformen notwendig. Eine solche ist die Haushaltsreform des Bundes, die wesentliche der oben angesprochenen Punkte adressiert und mit 1. 1. 2013 vollständig in Kraft getreten ist.

Verwaltungsreform

In ihrem Zentrum steht eine Veranschlagung und Verrechnung nach Doppik-System und damit der Übergang von der traditionellen Input- zur Wirkungsorientierung sowie Transparenz der Haushaltsführung. Die Reform hat in internationalen Fachkreisen hohe Beachtung gefunden und wird mittlerweile auch in einigen Bundesländern als sehr interessanter Reformansatz gesehen.

In Salzburg wurde nach dem ersten Schock eine umfassende Reformagenda im Landtag auf den Weg gebracht: An der Spitze der einstimmig beschlossenen Maßnahmen steht eine Verfassungsnovelle, die ein Spekulationsverbot und eine weitreichende Haushaltsreform beinhaltet und mit 1. 1. 2018 in Kraft tritt.

Führende Rolle

Weiters wurde die Landesregierung mit der Vorbereitung wichtiger struktureller Reformen beauftragt: Unter anderem soll ein umfassendes internes Kontrollsystem eingerichtet werden, Spitzenpositionen sollen nur mehr auf Zeit vergeben werden, und bei Bestellungsentscheidungen ist ein individuelles Beschwerderecht an das Landesverwaltungsgericht geplant. Gelingt die Umsetzung der Reformen, kann Salzburg eine führende Rolle bei Verwaltungsreformen in Österreich einnehmen. (Clemens Mungenast, DER STANDARD, 1.3.2014)