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Ein Kämpfer der Free Syrian Army in den Ruinen des Stadtviertels Karm al-Jabal in Aleppo.

Foto: Reuters/Mamo

Die Verhandlungen zwischen Opposition und Regime in Genf haben keine Beruhigung des Konflikts gebracht. Mit Hadi al-Bahra sprach Gudrun Harrer.

Standard: Ist der Eindruck richtig, dass der Krieg in Syrien wieder an Intensität zunimmt?

Al-Bahra: Ja, unmittelbar vor dem letzten Treffen in Genf hat das Regime seine Militäroffensive an allen Fronten in Syrien intensiviert. Sie richtet sich hauptsächlich ganz gezielt gegen Zivilisten, mit Luftangriffen, darunter auch solche mit Fassbomben, in Aleppo, Daraa und südlichen Vororten von Damaskus. Damit sollen die Zivilisten zum Aufgeben gebracht werden. Viele Orte in Syrien stehen ja unter Belagerung. Das Regime verfolgt die Politik "Verhungern oder kapitulieren" - was international als Kriegsverbrechen gilt.

Standard: Sie sagen, die verstärkten Kämpfe sind keine Folge der gescheiterten Verhandlungsrunde in Genf, sondern begannen parallel. Welche Strategie verfolgt da das Regime?

Al-Bahra: Die Angriffe haben vor Genf begonnen und sich während Genf intensiviert. Das Regime versucht der internationalen Gemeinschaft weiszumachen, dass es eine politische Lösung sucht - während es in Syrien nur auf eine militärische setzt und den Aufstand durch Gewalt gegen Zivilisten zu beenden versucht.

Standard: Auch die Repressalien gegen die Familien von Genf-Delegationsmitgliedern werden stärker.

Al-Bahra: Sie haben den Bruder eines unserer Delegierten, Anwalt Muhammad Sabra, verhaftet. Mahmud Sabra befindet sich in der Haft des Militärgeheimdienstes. Viele Namen von Delegationsmitgliedern stehen auf der Terrorismusliste, und ihre Vermögen wurden eingefroren. Die Terrorliste gibt es schon länger, aber während Genf haben sie die Anweisungen zum Einfrieren der Vermögen gegeben.

Standard: Wird es eine neue Genf-Runde geben?

Al-Bahra: Wir sind weiter sehr ernsthaft daran interessiert, alle möglichen friedlichen Lösungsmöglichkeiten zu erkunden. Wir werden weiterhin alles dafür tun. Aber ich glaube nicht, dass das auch für das Regime gilt - der politische Wille ist nicht da. Es ist noch immer davon überzeugt, dass der Konflikt militärisch zu gewinnen ist, mithilfe von Iran und Russland. Das ist sehr zu bedauern - denn jeden Tag verlieren wir Kinder, Frauen und alte Menschen in ganz Syrien. Das Regime muss eine starke Botschaft der internationalen Gemeinschaft bekommen, dass wir eine politische Lösung für Syrien brauchen. Wir müssen das retten, was von Syrien noch übrig ist.

Standard: Was meinen Sie genau mit einer "starken Botschaft"?

Al-Bahra: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Die Uno-Sicherheitsratsresolution von letzter Woche ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir hoffen, dass der Sicherheitsrat und die internationale Gemeinschaft darauf achten, dass sie auch umgesetzt wird. Bisher nimmt das Regime die Resolution offensichtlich nicht ernst, sonst würde es nicht weiter Zivilisten angreifen. Das muss mithilfe des Völkerrechts gestoppt werden.

Standard: Falls die Verhandlungen weitergehen: Bleibt Ihre Forderung, dass Bashar al-Assad keine Rolle in einer Übergangszeit spielen darf, aufrecht?

Al-Bahra: Wir haben unsere Vision einer politischen Lösung vorgestellt, sie enthält 24 Prinzipien, die den künftigen Weg darlegen. Nach all dem Blutvergießen ist es nicht akzeptabel, dass eine Person ein Land präsentiert, die seit mehr als zehn Jahren an der Macht festhält und die weitermachen will, auch wenn Syrien dabei völlig zerstört wird. Ein kompletter Neustart ist nötig.

Standard: Sie haben auch eine Liste vorgelegt mit für Sie akzeptablen Namen. Ist es richtig, dass Sie mit Vizepräsident Faruk al-Sharaa reden wollen?

Al-Bahra: Wir haben diese Liste - wir nennen sie die "Weiße Namen"-Liste - noch nicht präsentiert. Aber ja, Sharaa steht darauf.

Standard: Die Opposition insgesamt ist gespalten, sowohl die politische im Exil als auch die militärischen Gruppen in Syrien. Droht nun eine weitere Spaltung der Freien Syrischen Armee, die vom Westen unterstützt wird? Ihr Kommandant Selim Idriss wurde abgesetzt, aber er und einige seiner Anhänger akzeptieren das nicht.

Al-Bahra: Die höchste Autorität ist der Hohe Militärrat, der Herrn Idriss seine Position gegeben hat und auch den jetzigen Befehl erlassen hat, der von ihm und jedem anderen respektiert werden muss. Und ich denke, am Ende wird er das auch tun und sich den vereinheitlichten Kommando-, Kontroll- und Operationsstrukturen anschließen, die die FSA reorganisieren und die Fronten in Syrien auf eine Linie bringen werden. Es wird keine Spaltung, sondern mittelfristig mehr Einheit geben. (DER STANDARD, 1.3.2014)