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"Es ist aufregend, jemand zu erleben, der so entschlossen an die Sache herangeht." Wes Anderson über Hauptdarsteller Ralph Fiennes – als Concierge Monsieur Gustave mit Protegé Zero (Tony Revolori).

Foto: centfox; reuters

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"Ich wollte eine Zeit lang alles über Hotels wissen."

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Wien - Das Grand Budapest Hotel, ein imposantes Gebäude mit rosa Zuckertortenanstrich, schmiegt sich an eine Berghöhe. Es liegt zu Beginn der 1930er-Jahre in einem osteuropäischen Fantasiestaat. Die Geschicke von Personal und Gästen lenkt der Concierge, ein gewisser Monsieur Gustave (energisch und energetisch verkörpert von Ralph Fiennes). Turbulenzen und Gefährdungen durch einen Erbschaftsstreit und einen Rechtsruck im Staate ist aber auch dieser unerschütterliche Profi auf Dauer nicht gewachsen.

Der Weg in dieses Universum - das ein Anderson-All-Star-Cast bevölkert - beginnt 1985 bei der jungen Verehrerin eines großen Dichters. Nicht nur für diese erzählerische Klammer gibt es ein überraschendes literarisches Vorbild.

STANDARD: Im Abspann verweisen Sie auf Stefan Zweig als Inspiration. Wie wurden Sie auf sein Werk aufmerksam?

Anderson: Vor sechs, sieben Jahren wurden seine Bücher von der New York Review of Books und von Pushkin Press nach und nach wieder aufgelegt. Ich habe Ungeduld des Herzens gelesen und war begeistert von der Form: zuerst eine Art Botschaft des Autors, dann eine Reihe von Szenen, in denen eine jüngere Version dieses Autors eine geheimnisvolle Figur trifft, die ihm eine Geschichte erzählt, welche schließlich der Roman ist. Dieser etwas altmodische Kunstgriff hat mir gefallen, und ich hatte sofort den Eindruck einer unverwechselbaren, vertrauten Erzählstimme. Danach habe ich Kurzgeschichten gelesen und Die Welt von Gestern. Daran hat mich dieses Gefühl von Nostalgie interessiert, das eine Traurigkeit durchzieht: in Bezug auf Wien vor 1914, auf ein altes Europa, dessen Kultur und Zeitlauf, der sich plötzlich für immer verändert.

STANDARD: Wie entwickelt sich aus solchen Lektüren ein Drehbuch? Womit haben Sie angefangen?

Anderson: Begonnen hat es mit der Figur, die Ralph Fiennes spielt, die zunächst noch kein Concierge war. Hugo Guiness und ich haben mit dieser Figur herumgespielt, bis ich die Idee hatte, sie in eine Art Zweig-Roman zu verpflanzen, und zwar in erster Linie, was diese erzählerische Klammer und das Setting betrifft. Wenn der Film beginnt - also wenn man bei Ralph Fiennes angekommen ist -, dann haben der Rhythmus und das Tempo nicht mehr viel mit Zweig zu tun, sondern mehr mit dem US-Kino der 1930er-Jahre, mit den Filmen der Europäer: Ernst Lubitsch, Billy Wilder oder Rouben Mamoulians Love Me Tonight.

STANDARD: Ralph Fiennes war Ihre Idealbesetzung?

Anderson: Ja, ich wollte schon länger mit ihm arbeiten, und ich dachte, wenn ich ein Drehbuch für ihn schreibe, würde das die Chance erhöhen. Ich hatte ihn in London im Theater in Der Gott des Gemetzels gesehen. Er war sehr gut, wirklich komisch. In Brügge sehen ... und sterben? wiederum fand ich ihn furchteinflößend. Bis zu einem gewissen Grad war die Motivation für Grand Budapest Hotel, mit ihm zu arbeiten.

STANDARD: Warum speziell mit ihm?

Anderson: Er bringt große Intensität ein, schon in die Vorbereitung, und er wäre nicht zufrieden, wenn er nicht das Gefühl hätte, alles zu geben. Er dreht keinen Film, um eine gute Zeit zu haben, er legt unglaublich viel Emotion hinein. Ich wollte so eine Arbeitserfahrung mit einem Schauspieler einmal machen. Es ist aufregend, jemanden zu erleben, der so entschlossen an die Sache herangeht.

STANDARD:: Ihr Debüt, "Bottle Rocket", war eine zeitgenössische Erzählung - seither scheinen Ihre Filme immer weiter zurück in der Vergangenheit zu liegen. Wie erklären Sie sich das?

Anderson: Das geschieht nicht mit Absicht. Üblicherweise entsteht ja jedes Projekt für sich. Aber ich merke, dass aus jedem Entstehungsprozess doch etwas zum nächsten übergeht: Wir haben beispielsweise The Life Aquatic of Steve Zissou in Italien gedreht. Das war ein großes Abenteuer, aber es war auch sehr schwierig, langsam - das hat mir überhaupt nicht gefallen. Also habe ich für den nächsten Film eine Methode entwickelt, die darin bestand, all die Dinge, die sich nicht bewährt hatten, zu vermeiden: Wir hatten rund 100 Tage gedreht, also habe ich den nächsten Film in 35 gemacht und alles noch sorgfältiger vorbereitet, nicht nur einen Plan B, sondern einen Plan C, D, und F entwickelt, damit uns bloß nichts Unvorhergesehenes aufhält. Daran halte ich mich seither. Eine Verbindungslinie sehe ich mehr auf dieser Ebene.

STANDARD: Könnten Sie Ihre Methode noch genauer beschreiben?

Anderson: Generell gibt es bestimmte Objektive, die ich bevorzuge - manchmal machen wir einen ganzen Film damit. Ich tendiere zu Weitwinkelaufnahmen und Tiefenschärfe. Ich inszeniere bevorzugt auf eine bestimmte Weise, mein Kameramann weiß schon, wo er die Kamera dafür am besten postiert. Damit geht einher, wie wir einen Schauplatz als Filmset adaptieren.

STANDARD: Das Hotel ist ja ein ehemaliges Kaufhaus vom Anfang des 20. Jahrhunderts, das im ostdeutschen Görlitz steht, oder?

Anderson: Ja - wir haben das Atrium und eine Decke aus buntem Glas, Stiegengewölbe und Balkone rundherum vorgefunden. Wir haben Wände eingezogen, Türen eingebaut und daraus ein Hotel gemacht. Teil meiner Methode ist es, an Originalschauplätzen zu drehen und nicht in einem Studio, das mag ich gar nicht. Manchmal gibt es Druck in diese Richtung, weil das billiger wäre. Aber ich bin lieber "on location", auch wenn wir 75 Prozent von dem, was man in einer Einstellung sieht, selbst hinbauen müssen. Was ich auch mag, sind Techniken, die an Zaubertrick erinnern, man darf das auch ruhig als solche erkennen, das hat Charme. Deshalb war ich schon immer von Stop-Motion-Tricktechnik, von Miniaturen und Modellen begeistert.

STANDARD: Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Hotels?

Anderson: Na ja, man entwickelt im Umgang mit ihnen so seine Routinen. Aber es war wie bei jedem Projekt auch hier so: Womit die Figuren beschäftigt sind, das wird dann auch zu meinem Interesse, manchmal gewinnt es ein Eigenleben. Ich wollte eine Zeitlang alles über Hotels wissen. Beim Recherchieren habe ich auch einige Concierges näher kennengelernt, einer davon, ein toller Mann, ist der Concierge des Hotels Imperial. Nach ihm haben wir eine Figur Herr Moser genannt. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 1.3.2014)