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Ob die ehemaligen Akteure bereuen oder nicht: Jene die Geld verloren haben, wollen, dass die Verantwortlichen für einen Bankencrash bestraft werden.

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Oft findet man aber wenig Verbrechen und viel Inkompetenz, sagt Nyberg.

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Standard: Herr Nyberg, was war als Weiser Ihre Aufgabe in Irland?

Nyberg: Ich erhielt 2010 den Auftrag, gemeinsam mit einem Team herauszufinden, welche Ursachen der Kollaps des Bankensystems hatte. Wir sollten uns die Rolle der Kreditinstitute, der Aufseher und der Wirtschaftsprüfer ansehen und alles in einem Bericht aufarbeiten.

Standard: Sie haben sechs Monate lang untersucht. Wie sah die tägliche Arbeit aus?

Nyberg: Wir haben zunächst bei allen Banken, die Staatshilfe erhalten haben, um Dokumente aus dem Vorstand und den wichtigen Bankenkomitees angesucht. Wir haben diese Papiere analysiert und je nach Bedarf weitere Unterlagen angefordert. Zeitgleich haben wir Ermittlerteams in die Banken geschickt, um in Kreditunterlagen Einblick zu nehmen. Sie schauten in jene Verträge, wo wir erwarten konnten, Probleme zu finden, etwa weil der Immobiliensektor betroffen war. Dazu haben wir 140 Interviews geführt: mit Aufsehern, Bankern, mit Bankmitarbeitern, die die täglichen Geschäfte geleitet haben und mit Behördenvertretern. Wenn in den Unterlagen etwas unklar war, haben wir nachgefragt. Eine der häufigsten Fragen in den Interviews war: Warum hat euer Risikomanagement nicht so gearbeitet, wie es eigentlich vorgeschrieben war?

Standard: In Österreich will die Regierung einen Weisenrat beauftragen, um den Kollaps der Hypo zu untersuchen. Könnte das klappen?

Nyberg: Das hängt davon ab, ob die Rahmenbedingungen stimmen. Wir haben in Irland auf einer klaren gesetzlichen Grundlage gearbeitet. Wir hatten das Recht, Auskunftspersonen zu laden, und sie standen unter Wahrheitspflicht. Wir konnten alle Unterlagen beantragen, die wir für relevant hielten. Das war essenziell, denn viele der wichtigen Informationen fallen unter das Betriebsgeheimnis. Die Weisen müssen außerdem ihr Team selbst auswählen. Es darf dabei keine Querverbindung zu Politik und den betroffenen Banken geben.

Standard: Und wenn diese gesetzliche Grundlage so wie derzeit in Österreich fehlt?

Nyberg: Dann wird es möglicherweise schwierig. Ohne die Wahrheitspflicht bin ich überzeugt, dass Banker, Aufseher und Behörden uns nur sehr zurückhaltend mit Informationen versorgt hätten.

Standard: Waren Sie mit den Ergebnissen in Irland zufrieden? Hat Ihr Bericht eine Katharsis bewirkt?

Nyberg: Ich war zufrieden, wir konnten zeigen, was schiefgelaufen ist. Aber ein Problem war, dass eben keine Katharsis stattgefunden hat. Die Polizei hat am Ende unserer Untersuchungen niemanden in Handschellen abgeführt, so wie im US-TV üblich. Jene Menschen, die ihr Geld verloren haben - das waren in Irland viele - haben von unserer Untersuchung keine emotionale Befriedigung erhalten. Das ist wohl einer der Gründe dafür, warum in Irland nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss vorbereitet wird, der den Menschen diese Erleichterung verschaffen soll.

Standard: Eine Kritik an Ihrem Bericht war, dass Sie keine Namen nannten: weder die von fahrlässigen Bankern noch von Politikern.

Nyberg: Aber das war nicht unser Auftrag. Wir haben unseren Interviewpartnern immer Anonymität zugesagt. Sie haben also gewusst, dass sie mit uns reden konnten, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Genauso wichtig war, dass niemand eine Rufschädigung fürchten musste, da wir in den meisten Fällen nicht Verbrechern, sondern Menschen gegenübersaßen, die ihren Job nicht richtig gemacht hatten. Ohne dieses Zugeständnis gestaltet sich so ein Prozess schwieriger: Dann hätten wir vermutlich nur mit Anwälten kommunizieren können.

Standard: Die Opposition in Österreich will einen parlamentarischen U-Ausschuss. Dieser wäre öffentlich, kritische Nachfragen wären garantiert. Die Regierung meint, die Opposition wolle sich nur eine Bühne für Angriffe schaffen. Wer hat recht?

Nyberg: Dieselbe Diskussion wie in Irland. Es kommt darauf an, welches Ziel man verfolgt: Wenn die Untersuchung herausarbeiten soll, warum die Hypo in die Krise gerutscht ist, wenn man also nach ökonomischen und systemischen Ursachen sucht, könnte dies ein Weisenrat besser erledigen. Dann könnte man die Sache wie in Irland organisieren. Wenn man dagegen einzelne Individuen verantwortlich machen will, ist ein öffentlicher Ausschuss, bei dem die handelnden Personen kritisch befragt werden, besser geeignet.

Standard: Was würden Sie selbst empfehlen?

Nyberg: Ich finde es wichtiger, die Hintergründe zu beleuchten. Warum? Zunächst sind jene Personen, die Fehler gemacht haben, ja bekannt: Man weiß, wer die Hypo wann geleitet hat, wer im Aufsichtsrat wann saß und seine Kontrollfunktion offensichtlich nicht wahrnahm. Genauso bekannt ist, wer die Bankenaufsicht in Österreich wann geführt hat. Der wichtigste Grund, warum man Individuen unbedingt benennen sollte, wäre ja, wenn da jemand wirklich einen großen Fehler gemacht hat, der zum Desaster führte. Aber wenn ich den Fall Hypo richtig verstehe, sind dort Dinge über Jahre falschgelaufen.

Standard: Was war für Sie eigentlich die überraschendste Erkenntnis der Untersuchung in Irland?

Nyberg: Was mich in Irland beeindruckt hat, war, wie groß die Tendenz bei Bankern und Aufsehern zum Konsens war. Es gab nur sehr wenige Leute, die vor dem Crash gewarnt hatten, und ihnen wurde kein Gehör geschenkt. Meine Schlussfolgerung war, dass es sowohl im Privat- als auch im öffentlichen Sektor einen starken Drang zum Konsens gibt. Die Leute wollen lieber einer Meinung sein als ausscheren, weil sie berufliche Konsequenzen befürchten oder der Druck ansonsten zu groß wird. Wenn diese Erkenntnis stimmt, denke ich, sollte man sehr vorsichtig dabei sein, was man von staatlichen Bankenaufsehern erwartet. Wenn Irland typisch ist, zeigt der Fall, dass die Aufseher keine große Hilfe sein werden, bevor die nächste Krise ausbricht. Solange die Party läuft, will sie niemand stören. (András Szigetvari, DER STANDARD, 29.2.2014)