Wien - Eines der Hauptargumente für die E-Medikation ist der Schutz der Patienten vor gefährlichen Wechselwirkungen. Umso auffälliger ist es, dass die zentrale Wechselwirkungsprüfung aus dem System gestrichen wurde, wie aus dem jüngst erschienen "ELGA-Handbuch" hervorgeht. Der APA wurde dies am Freitag im Gesundheitsministerium bestätigt. Die Prüfung habe beim Pilotversuch nicht funktioniert, hieß es.

Ab 2015 soll die E-Medikation in öffentlichen Krankenhäusern, ab Mitte 2016 in Apotheken und Arztpraxen zur Verfügung stehen. Ärzte und Pharmazeuten sollen dann auf einen Blick sehen, welche Medikamente einem Patienten verschrieben wurden bzw. was er sich selbst in der Apotheke besorgt hat. Einen automatischen Alarm, wenn zwei Mittel in ihrem Zusammenwirken unangenehme oder gar lebensgefährliche Effekte haben, wird es - anders als im 2011 durchgeführten Pilotversuch - jedoch nicht geben.

Prüfung nur "in den Köpfen"

"Das war eines der Hauptprobleme beim Pilot", sagte Clemens Martin-Auer, Sektionschef im Gesundheitsministerium und einer der Verfasser des "ELGA-Handbuchs" am Freitag. Es gab zu viele Fehlermeldungen, teilweise war das System auch nicht sensibel genug. Derzeit gebe es kein wissenschaftlich fundiertes und ausgereiftes System, das man generell verwenden könne, so Auer. Die Lösung ist nun eine ganz und gar nichtelektronische: Die Prüfung auf Wechselwirkungen soll wie auch heute "in den Köpfen der ELGA-GDA (Gesundheitsdiensteanbieter, Anm.)" stattfinden, heißt es im Handbuch lapidar.

Dass dadurch das ganze System obsolet werden könnte, ließ Auer nicht gelten. Schließlich bekämen die Ärzte erst durch die E-Medikation einen Überblick, was die Patienten bereits einnehmen oder von einem anderen Arzt verschrieben bekommen haben. Und, so Auer, aber auch die Chefin der ELGA-Gmbh, Susanne Herbek: Die meisten Praxen verwenden bereits heute elektronische Wechselwirkungssystem, und genau mit diesen habe sich das zentrale System nicht vertragen und widersprüchliche Meldungen geliefert. Die Kritik sei daher vor allem von den Ärzten gekommen.

Rechtsgrundlage der E-Medikation (als Teil der elektronischen Gesundheitsakte ELGA) ist das bereits im November 2012 nach schweren Widerständen der Ärzteschaft beschlossene ELGA-Gesetz. Das Prüfsystem war darin bereits nicht mehr enthalten, öffentlich kommuniziert wurde das allerdings nicht. Veröffentlicht wurde nur der Evaluierungsbericht zum Pilotversuch, in dem diverse Änderungen für den Regelbetrieb vorgeschlagen worden waren.

Ärztekammer: Wechselwirkungen mit rezeptfreien Medikamenten

ELGA-GmbH-Chefin Herbeck beurteilt die nun gewählte Variante "pragmatisch". Wichtig sei, dass die Informationskette nicht abreißt und dass alle Verschreibungs- und Abgabeinformationen in der E-Medikation enthalten seien. Vorerst keine Stellungnahme gab es aus dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Er ist für die E-Medikation hauptverantwortlich und hatte sich für die Abwicklung des Pilotversuchs Kritik aus der Ärztekammer, aber auch vom Rechnungshof eingehandelt.

Für Martin Stickler, Sprecher der österreichischen Ärztekammer, kommt das nicht überraschend. Es habe sich schon im Pilotversuch herausgestellt, dass das System inhaltlich nicht funktioniere und zu lange dauert. Für die Ärzte ändert sich dadurch aber nichts. Die Wechselwirkungsüberprüfung war immer auf Ärzteebene geregelt, die auf Grund ihrer Erfahrung Interaktionen zwischen Medikamenten bewerten oder auch Programme zur Verfügung haben. Die gröbsten Wechselwirkungen gebe es aber mit rezeptfreien Medikamenten wie Aspirin, sagt Stickler. Das liege dann in der Verantwortung der Apotheker.

Wellan: Beratung in Apotheke

Für Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, ist es nicht so wichtig, ob die Wechselwirkungsprüfung zentral oder in den Apotheken stattfindet. Durchgeführt werde sie dort nämlich schon heute, und zwar auf Basis von Daten, die der Apotheker-Verlag zur Verfügung stellt. Was die E-Medikation zur Verfügung stelle, sei "eine Liste, nicht mehr, aber auch nicht weniger", sagte er . "Die Beratung ist wichtig, und die machen wir in der Apotheke." 

Auch im Hauptverband verteidigte man diese Entscheidung. Es handelt sich um keinen Verzicht, sondern um eine Verlagerung der Wechselwirkungsprüfung von einer zentralen Lösung zu einer dezentralen. Damit sei sichergestellt, dass Ärzte und Apotheker lokal nach ihren Bedürfnissen und Anforderungen Prüfsysteme zum Einsatz bringen könnten, hieß es in der Stellungnahme. (APA/red, 28.2.2014)