Wien - Das war natürlich der Treppenwitz der Woche: Rex Tillerson schloss sich einer Bürgerinitiative an, um einen Wasserturm in seiner Nachbarschaft zu verhindern. Nur: Der Wasserturm soll unter anderem deshalb errichtet werden, weil das Wasser für ein Fracking-Projekt gebraucht wird. Und Tillerson ist abseits seines Privatlebens CEO der Exxon Mobil Corporation.
Der Chef eines Öl- und Energiemultis, der gegen ein Projekt fossiler Energiegewinnung eintritt – bloß weil es quasi in seinem Vorgarten realisiert werden soll? Das hat natürlich was. Dieses Vorbild an Katharsis durch Betroffenheit könnte man doch entsprechend ausbauen.
Erinnerung ans Nigerdelta
Die Chefs von Shell beispielsweise könnten ja durch eine leicht löchrige Pipeline, die scharf an ihrem Anwesen vorbeischrammt, an die Zustände im Nigerdelta erinnert werden. Mit den führenden Vertretern der Atomlobby wiederum könnten vielleicht Verhandlungen bezüglich eines Endlagers unter ihren Wohnhäusern aufgenommen werden.
Und so fort. Da könnten durchaus auch die Führungskräfte heimischer Unternehmen in Richtung Bürgerinitiativen aktiviert werden – jene von Andritz etwa. Man bräuchte sie ja nicht gleich absiedeln oder ihnen die Lebensgrundlage rauben, wie das etwa den Betroffenen des Belo-Monte-Projekts droht. Aber so eine kleine Staumauer vor dem Wohnzimmerfenster – das hätte schon was.
Turm ist "nur" zu groß
Geht natürlich alles gar nicht. Und die Geschichte ist auch nicht so einfach gestrickt, wie sie im ersten Moment erscheinen mag. Denn auch bei Exxon beeilte man sich zu versichern: Rex Tillerson sei ja gar nicht gegen das Fracking an sich. Ganz und gar nicht. Der Wasserturm sei jetzt aber viel größer geplant, als früher angekündigt worden war.
Trotzdem zeigt das Beispiel wieder einmal in wunderbarer Weise: Wir sind für jede Menge Umweltprobleme verantwortlich – aber sie kratzen uns nicht mehr, weil wir sie exportiert haben. Das gilt für die Energiegewinnung ebenso wie beispielsweile für die Textilproduktion mit ihren massiven Umweltschäden durch Baumwollanbau und Färberei bis hin zur Ausbeutung der Arbeitskräfte in Sweatshops.
Aber wehe, irgendeines dieser Probleme kehrt in unsere direkte Nachbarschaft zurück. Da sind die Barrikaden schnell errichtet. (Roman David-Freihsl, derStandard.at, 27.2.2014)