Zum Schluss war der Freispruch für den früheren deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff fast nur noch eine Formsache. Schon vor Wochen hatte das Landgericht Hannover deutlich gemacht, dass sich aus den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft keine Vorteilsannahme im Amt konstruieren lasse. Jetzt, da Wulff freigesprochen ist, wird sich die Staatsanwaltschaft einige Vorwürfe gefallen lassen und ihren Ermittlungsexzess erklären müssen. Dass sie grundsätzlich die Ermittlungen aufgenommen hat, ist jedoch richtig.

Viele Menschen in Deutschland meinten ja: Meine Güte, so ein Aufwand wegen ein paar hundert Euro beim Oktoberfest, lasst doch den armen Mann in Ruhe. Korruption und Bestechlichkeit sind aber nicht an eine Geldgrenze gebunden. Es gibt kein Gesetz für Amtsträger, in dem es heißt: Wenn du dich nur für 500 Euro bestechen lässt, dann ist das in Ordnung. Man stelle sich auch kurz vor, welchen Eindruck eine laxe Staatsanwaltschaft vermittelt hätte. Schnell wäre der Eindruck entstanden, bei "hohen Tieren" würden beide Augen zugedrückt. Im Fall Wulff jedoch hat sich die Staatsanwaltschaft, die natürlich unter enormem Druck stand, im Laufe der Zeit verrannt.

Wulff ist nun rechtlich reingewaschen. Im Nachhinein war es klug, dass er sich auf keinen Deal mit der Justiz und keine befreienden Bußgelder zur Einstellung seines Verfahrens eingelassen hat. Sein Amt, seine Karriere, seine Ehre - Wulff hat alles verloren. Aber er hatte die Nerven, diesen Prozess durchzustehen, um wenigstens seine Ehre zurückzubekommen.

War sein Rücktritt am 17. Februar 2012 womöglich eine Fehlentscheidung? Nein, auf keinen Fall. Das Gericht hat nur den strafrechtlichen Aspekt bewertet. Wulff hat jedoch auf anderen Ebenen versagt. Sein Krisenmanagement damals war fatal, er gab immer nur zu, was Journalisten ohnehin schon herausgefunden hatten. Seine Nähe zu vermögenden Freunden aus der Wirtschaft wirkte zunehmend unappetitlich.

Nicht zu vergessen sein Anruf auf der Mailbox von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann. Diesem drohte er unverhohlen, und so etwas macht ein Bundespräsident nicht. Der Rücktritt ist und bleibt - auch nach diesem Freispruch - richtig. (Birgit Baumann, derStandard.at, 27.2.2014)