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Die Schweiz ist besser als ihr Ruf: Kommunikativ, weltoffen, mehrsprachig.

Foto: AP/Michael Probst

Kommunikativ, weltoffen, mehrsprachig: So habe ich die Schweizer kennengelernt. Und ja, die Schweiz ist besser als ihr Ruf. Auch wenn man sich das als gelernte Europäerin nach dem erschreckenden Ja der Bevölkerung zur Masseneinwanderungsinitiative fast nicht mehr zu sagen traut.

Niemals hätte ich mir träumen lassen, zwei Auslandssemester ausgerechnet in der Schweiz zu verbringen. Meine Vorurteile waren die gängigen – und wurden widerlegt. Die Möglichkeit, bei einem von mir hochgeschätzten Professor meine Diplomarbeit zu schreiben, führte mich 1996 als Erasmus-Studentin nach Lausanne. Die Schweiz war damals quasi schon assoziiertes Mitglied im EU-Studentenaustauschprogramm.

Heute heißt das "Erasmus+" und ermöglicht jährlich unter anderem rund 3.000 Schweizern, in einem EU-Land ihrer Wahl zu studieren. Die EU hat die Verhandlungen zum Rahmenforschungsprogramm "Horizon 2020" und zu "Erasmus+" gestoppt, nachdem der Schweizer Bundesrat die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien sistiert hatte. Ob im Wintersemester 2014/15 Studierende an "Erasmus+" teilnehmen können, ist unklar. Die Rektoren der Schweizer Hochschulen haben sich bereits in einem offenen Brief an den Bundesrat gewandt und rasche Maßnahmen verlangt. Am 3. März soll ein Treffen aller Beteiligten an der Universität Lausanne stattfinden.

Ebendort habe ich viele Schweizer Studierende und Unterrichtende als gebildete und vielgereiste Menschen kennengelernt. An der französischsprachigen Uni waren die Kommilitonen aus der Deutschschweiz oder dem Tessin nicht immer gleich herauszuhören. Mehrsprachigkeit gehört zum guten Ton und wurde unter anderem gezielt dadurch gefördert, dass junge Männer im jeweils anderssprachigen Kanton ihren Militärdienst leisten mussten – was wirklich der einzige positive Effekt ist, der mir zum Thema Grundwehrdienst jemals eingefallen ist.

Jetzt könnte man einwenden: Die Westschweiz war immer schon aufgeschlossener als der Rest. Stimmt. Das belegen auch die Ergebnisse des Volksentscheids. Im Westen, wo der Ausländeranteil insgesamt höher ist als in den deutschsprachigen Kantonen, fiel das Votum viel knapper gegen die Personenfreizügigkeit aus. Anders gesagt: Wo es kaum Ausländer gibt, ist die Angst vor ihnen am größten.

Aber gerade die Deutschschweizer, die in der Westschweiz oder gar im Ausland studiert hatten, waren oft besonders vielsprachig. Mein Eindruck war und ist: Diejenigen, die sich hinausbewegen aus ihrem Tal, sind polyglott und die begeistertsten Europäer. Geben wir ihnen die Chance dazu! (Tanja Paar, derStandard.at, 27.2.2014)