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Auch für ihn wird's leichter: Bernd Lucke will mit der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) ins EU-Parlament.

Foto: APA/EPA/Ebener

Erinnert sich noch jemand an die bewegte Karriere der Gabriele Pauli? Sie war einst CSU-Landrätin in Fürth, Auslöserin für den Sturz von Edmund Stoiber und trat 2009 schließlich für die Freien Wähler zur EU-Wahl an.

Ins EU-Parlament schaffte sie es nicht. Doch wäre jenes Urteil, das das deutsche Verfassungsgericht am Mittwoch sprach, damals schon gültig gewesen, dann säße Pauli im EU-Parlament.

Und mit ihr auch je ein Vertreter der Republikaner, der Tierschutzpartei, der Familienpartei, der Piraten, der Rentnerpartei und der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). Für sie alle gilt: Jene ursprüngliche Fünf-Prozent-Hürde, die der Bundestag dann 2011 zur Drei-Prozent-Sperrklausel herunterstufte, wäre nicht zu packen gewesen. Aber ohne diese Sperrklausel, die in Österreich bei vier Prozent liegt, wären sie ins EU-Parlament gekommen.

Nun hat das deutsche Höchstgericht auch die Drei-Prozent-Hürde umgerissen. Schon bei der Wahl am 25. Mai gilt sie nicht mehr. Schafft etwa die ÖDP so wie 2009 einen Stimmenanteil von 0,5 Prozent (135.000 Stimmen), dann bekommt sie eines der zu vergebenden 96 deutschen Mandate.

Gleiches Recht für alle

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle begründet dies so: "Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben." Stimmen für Splitterparteien sollen also nicht mehr "verschenkt" werden, weil sie überhaupt erst ab einem Erfolg von drei Prozent zu einem Mandat führen.

Dem Argument, dass man dadurch eine weitere Zersplitterung des EU-Parlaments (in dem ohnehin schon Vertreter von 162 Parteien sitzen) fördere, folgte das Gericht nicht. Eine Sperrklausel sei beim EU-Parlament - im Gegensatz zum Deutschen Bundestag mit seinen fünf Prozent - nicht nötig, "um die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments zu erhalten", heißt es im Urteil des Gerichts.

Das Parlament sei zwar auf dem Weg, sich als institutioneller Gegenspieler der EU-Kommission zu profilieren, allerdings könne diese Entwicklung noch nicht mit der Situation im Bundestag verglichen werden, "wo die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig ist".

Die Entscheidung im Senat fiel aber denkbar knapp aus. Drei von acht Richtern hätten die Sperrklausel gerne behalten. "Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht", sagt auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der für die deutschen Sozialdemokraten als Spitzenkandidat antritt.

Für CDU und CSU erklären die beiden Europa-Abgeordneten Herbert Reul und Markus Ferber: "Nun müssen wir mit dem Urteil leben und auch damit, dass wir Splitterparteien und radikale Kräfte aus Deutschland im EU-Parlament haben werden."

Geklagt haben 19 kleine Parteien, darunter die Piraten, die rechtsextreme NPD und die ÖPD. Sie feiern nun das Urteil als Sieg für die Demokratie. So erklärt der Vorsitzende der deutschen Piratenpartei, Thorsten Wirth: "Mit der heutigen Entscheidung des Gerichts ist gewährleistet, dass bei der kommenden Europawahl nicht wieder - wie vor fünf Jahren - ein erheblicher Teil der Wählerstimmen unter den Tisch fällt." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 27.2.2014)