"Wohnen mit alles" von der einszueins Architektur.

Foto: Hertha Hurnaus

Mit dem Pink im Stiegenhaus wollten die Architekten Christoph und Verena Mörkl Identität für das Haus entwickeln.

Foto: Superblock

Anonym geht es hier wahrlich nicht zu: Zettel mit Botschaften hängen überall, fröhliches Grüßen über acht Stockwerke, ein Bewohner eilt hierhin, eine dorthin, Ziele gibt es genug: Küche, Kinderspielraum, Veranstaltungssaal. Eine Bibliothek mit Ledersessel, eine Sauna mit Dachterrasse. Was wie ein Privatvilla-Luxus klingt, ist ein Wohnbau mit 40 Wohnungen im zweiten Bezirk. Direkt daneben reckt ein gleich großer Bau seine breiten Balkone in die Luft und zeigt hofseitig sein Inneres: ein Stiegenhaus in bonbonknalligem Pink.

Mit scharf, mit uns

Dieses Paar ist Ergebnis eines Bauträgerwettbewerbs am ehemaligen Nordbahnhof-Gelände, rund um den heutigen Rudolf-Bednar-Park, den zwei Architekturbüros zusammen mit dem Bauträger Schwarzatal 2010 gewannen. Nicht nur das Grundstück war Neuland, auch inhaltlich war von allen Beteiligten Pioniergeist gefragt: Unter dem Motto "Wohnen mit scharf" (Christoph und Verena Mörkl, Superblock Architekten) sollten Angebote für junge, interkulturelle Bewohner geschaffen werden, beim zweiten Projekt musste unter dem Motto "Wohnen mit uns" (Katharina Bayer und Markus Zilker, einszueins Architektur) für den Baugruppen-Verein "Wohnprojekt Wien" ein baulicher und rechtlicher Rahmen gefunden werden.

Hilfestellung bei der Projektsteuerung leistete das Büro raum&kommunikation. "Wir stellten den Kontakt mit dem Bauträger her", sagt Projektleiterin Regina Gschwendtner. Das Wohnprojekt wurde als Wohnheim bewilligt und nach seiner Fertigstellung vom Bauträger an den Verein verkauft - ein Novum. "Es ist eine Überlassungsform, die langfristig gemeinschaftliche Interessen der Nutzer vor Einzelinteressen sichert." Zusätzlicher Vorteil der Wohnheim-Widmung: Die niedrigere Stellplatzverpflichtung. Schließlich setzt man hier voll auf Carsharing und kommt mit acht Autos für 92 Bewohner aus.

Kooperation mit Baugruppe

Als Gesamtpaket für den Bauträger eine ungewohnte Konstellation. "Es war das erste Mal, dass wir mit einer Baugruppe kooperiert haben. Dass es personelle Überschneidungen gab, da die Architekten teilweise selbst Mitglieder in der Baugruppe sind, hat den Prozess natürlich erleichtert" , sagt Senka Nikolic, Projektentwicklerin für die beiden Bauteile bei der Schwarzatal.

Beim Nachbarbau wiederum galt es, mit Superförderung möglichst leistbare Wohnangebote mit niedrigen Eigenmittelkosten für junge Neuwiener zu schaffen.

Bezogen wurden beide Bauten im Dezember. Ist die doppelte Pionierarbeit aufgegangen? Bei Wohnprojekt ist man, so Architekt Markus Zilker, der selbst Vereinsmitglied und Bewohner ist, zwar erschöpft, aber zufrieden. "Privat umziehen und gleichzeitig gemeinsam ein 4000-Quadratmeter-Haus zu verwalten, von der Stromabrechnung bis zur Reinigung, ist eine echte Herausforderung." Kein Problem mit der Aneignung hatten die jüngsten Bewohner: "Die Kinder haben es sofort in Besitz genommen, eine Stunde nach dem Einzug waren sie alle schon irgendwo im Haus unterwegs."

Hoher Migrantenanteil

Als Nächstes wird man den Garten in Angriff nehmen, den man sich mit dem Nachbarprojekt teilt. Dort, bei "Wohnen mit scharf", ist die Planung ebenfalls aufgegangen, freut sich Christoph Mörkl von Superblock Architekten. "Der Bauträger hat sich sehr um den Bewohnermix bemüht, und es ist genau so gekommen wie gewünscht - der Migrantenanteil ist sehr hoch." Auch dank der Kooperation mit dem Magazin biber, dessen Redakteure teilweise selbst mit eingezogen sind. Der Wohnungsmix mit vielen kleinen und wenigen sehr großen Wohnungen kam gut an: "Viele Bewohner mit migrantischem Hintergrund wollen nicht in Wohngruppen, sondern endlich individuell wohnen: klein, fein und mein", sagt Mörkl.

Um die singulären Bewohner in ein gemeinsames Ganzes zu fassen, kam die Architektur ins Spiel: "Wir wollten eine Identität für das Haus entwickeln, bei der jeder sagt: Da wohn' ich. Das Pink im Stiegenhaus ist genau das!" Trotzdem war das Biberrosa für manche Bewohner einen Tick zu scharf. Die Architekten fanden einen Kompromiss: "Jetzt haben wir ein Walzenmuster aufgetragen in Weiß, das ist auch ganz schön", sagt Mörkl. In der Tat: Das Ornament verleiht dem scharfen Stiegenhaus eine fast feudale Hofburgartigkeit. Pioniere müssen eben improvisieren. (Maik Novotny, DER STANDARD, 26.2.2014)