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Mit Krücken zum Beispiel ließen sich viele Büroarbeiten erledigen. Aber genaue Auskunft darf der Arbeitgeber vom Arzt derzeit nicht verlangen.

Foto: APA/Karl-Josef Hildenbrand

Das Wesen des Arbeitsvertrages besteht in der Verknüpfung von Arbeitsleistung und Entgelt. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber auf Zeit zur Verfügung zu stellen, und dieser hat dafür Entgelt zu zahlen. Daraus folgt kurz gesagt: ohne Arbeit kein Entgelt, und ohne Entgelt keine Arbeit.

Aus guten sozialpolitischen Gründen werden von diesem Grundsatz zahlreiche Ausnahmen gemacht, die nicht nur die Abwesenheiten der Arbeitnehmer rechtfertigen, sondern auch dazu führen, dass Arbeitnehmer trotz des Unterbleibens der Arbeitsleistung ihr Entgelt zeitlich befristet weiterhin beziehen können. Krankheit ist so ein Fall: Ist ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt an der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verhindert, dann ist das Entgelt gemäß § 8 Abs 1 AngG bzw. § 2 EFZG zeitlich begrenzt fortzuzahlen. Entscheidend ist somit, ob der Arbeitnehmer krankheitsbedingt unfähig ist, die im Arbeitsvertrag versprochenen Tätigkeiten zu erbringen.

Wann dies der Fall ist, hängt einerseits vom Inhalt der Arbeitspflicht - also von den einzelnen geschuldeten Tätigkeiten - und andererseits von der Art der Erkrankung ab. Es ist zu fragen, an der Ausübung welcher Tätigkeiten der Arbeitnehmer durch die Erkrankung gehindert ist. Ist daher der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung in der Lage, zumindest Teile der von ihm geschuldeten Tätigkeiten zu verrichten, dann ist er dazu verpflichtet, sofern dadurch die Genesung nicht verzögert wird.

In diesem Zusammenhang ist die jüngst in der Öffentlichkeit vieldiskutierte Entscheidung des OGH beachtlich, die sich mit der Frage beschäftigt hat, ob ein Arbeitnehmer während des Krankenstandes dem Arbeitgeber für Auskünfte zur Verfügung stehen muss (9 ObA 115/13x - der Standard berichtete). Der OGH hat diese Frage nicht pauschal verneint, sondern seine ablehnende Entscheidung unter anderem darauf gestützt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt der persönliche Kontakt mit dem Arbeitgeber aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar war. Die Arbeitsunfähigkeit bezog sich somit auch auf die vom Arbeitgeber verlangte Auskunftserteilung.

Pauschale Krankschreibung

Diese wenig bekannte, aber unstrittige Rechtslage wird in der öffentlichen Diskussion gern durch die weitgehend von der Judikatur akzeptierte Praxis der pauschalen Krankschreibung überlagert: Der Arbeitgeber kann im einzelnen Anlassfall - die allgemeine Vorwegvereinbarung im Arbeitsvertrag allein genügt nicht - als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bestätigung verlangen. Diese muss nach der Judikatur allerdings nur die voraussichtliche Dauer angeben, nicht jedoch eine Beschreibung der Leistungseinschränkungen, die es dem Arbeitgeber erlauben würde (gemeinsam mit dem Arbeitnehmer) zu entscheiden, ob Arbeitsleistungen noch möglich sind. Es reicht aus, dass pauschal die Arbeitsunfähigkeit vermerkt wird (OGH 9 ObA 236/89).

Der Gerichtshof geht sogar so weit, dass das Fernbleiben eines Arbeitnehmers vom Dienst nicht nur dann entschuldigt ist, wenn er - objektiv betrachtet - arbeitsunfähig ist, sondern auch dann, wenn er von einem Arzt krankgeschrieben wird, obwohl objektiv dazu keine Veranlassung gegeben war, er aber auf die Richtigkeit der ausgestellten ärztlichen Bescheinigung vertrauen durfte. Dem Arbeitnehmer muss in dieser Situation der gute Glaube zugebilligt werden, sich für arbeitsunfähig zu halten (OGH 8 ObA 315/01h). Über diesen Umweg wird der theoretisch mögliche "Teilkrankenstand" in der Praxis meist verhindert.

Aufdeckung nicht möglich

Der OGH versucht diese Aussage zwar mit der Bemerkung zu entschärfen, dass dem Arbeitgeber dadurch nicht das Recht genommen wird, den Beweis anzutreten, dass der Arbeitnehmer die ärztliche Bestätigung durch bewusst unrichtige Angaben gegenüber dem Arzt erwirkt hätte. Dies hilft in der Praxis in der Regel aber gar nichts, da dem Arbeitgeber - so er nicht Detektive bemüht - die notwendigen Informationen zur Aufdeckung derartiger Malversationen fehlen.

Vor dem Hintergrund des konkreten Arbeitsvertrags kann eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbestätigung nur dann richtig sein, wenn der Arbeitnehmer zu keiner Tätigkeit fähig ist oder der Arzt im Rahmen seiner Beurteilung über den Inhalt der geschuldeten Tätigkeit vom Arbeitnehmer genau unterrichtet worden ist. Es bleibt unbestritten, dass dies in der überwiegenden Anzahl der Fälle korrekt erfolgen wird. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Arbeitgeber nicht nachvollziehen kann, ob dies im Einzelfall auch tatsächlich so ist.

Diese unbefriedigende Situation ließe sich leicht und ohne Beeinträchtigung von Arbeitnehmerinteressen lösen - allerdings nur durch eine Änderung der Judikatur: Zweifelt der Arbeitgeber an der pauschalen Krankschreibung, sollte der Arzt ohne Preisgabe der medizinischen Diagnose ein Leistungskalkül erstellen müssen, indem er darüber Auskunft erteilt, welche Tätigkeiten der Arbeitnehmer nicht ausüben darf. Die Nachvollziehbarkeit wäre dadurch gewährleistet, und man würde sich aufwändige Prozesse ersparen, in denen die Arbeitnehmer sowieso detailliert über ihre gesundheitlichen Details Auskunft erteilen müssten. (Christoph Wolf, DER STANDARD, 26.2.2014)