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"Un caffè, per favore.": Renzi in in der Nacht auf Dienstag im römischen Senat

Foto: REUTERS/Giampiero Sposito

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Der neue Regierungschef Renzi durfte im Parlament Gratulationsküsse entgegennehmen.

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Italiens Parlament liebt institutionelles Gehabe: Das Personal trägt weiße Handschuhe, ohne Krawatte ist der Zutritt verboten. Im ehrwürdigen Senat, der Parlamentariern über 40 vorbehalten ist, brannte Matteo Renzi am Montag ein wahres Feuerwerk ab. In einer flammenden Rede forderte er "Mut zu radikalen Entscheidungen" und kündigte weitreichende Reformen an.

Viele traditionsverliebte Senatoren irritierte er durch eine unorthodoxe Premiere: eine Regierungserklärung ohne Manuskript, eine Hand meist salopp in der Sakkotasche. Seine 70-minütige Rede richtete er nicht so sehr an die anwesenden Senatoren als vielmehr an das Millionenpublikum vor den Fernsehern: "Wir hätten den Märkten in unseren Städten mehr Aufmerksamkeit widmen sollen als den Finanzmärkten", geißelte Renzi das Versagen der Politik gegenüber den Bürgern.

Der 39-Jährige kündigte eine rasche Senkung der Lohnkosten und eine radikale Entbürokratisierung an; Reformen des Arbeitsmarkts und der Justiz; eine Sanierung tausender maroder Schulgebäude, Steuersenkungen und Transparenz in der öffentlichen Verwaltung: "Jeder Cent, der ausgegeben wird, muss im Internet kontrollierbar sein." Renzi übernahm volle Verantwortung für die Realisierung seiner kühnen Pläne: "Wenn wir diese Chance verpassen, bin ich allein schuld."

Während seiner Rede wurde Renzi mehrmals lautstark durch die Fünf-Sterne-Bewegung unterbrochen, doch er konterte geschickt: "Ich habe keine Angst vor Neuwahlen. Die letzten vier Regionalwahlen haben wir gewonnen. Aber ihr habt sie verloren."

Erst nach Mitternacht sprach der Senat der Regierung mit 169 zu 139 Stimmen das Vertrauen aus. Die Medien bewerteten Renzis Auftritt unterschiedlich, waren sich jedoch in einem Punkt einig: Er habe nicht glaubwürdig erklärt, wie die Reformen finanziert werden sollen. Allein für die Kürzung der Lohnnebenkosten um zehn Prozent seien mindestens zehn Milliarden Euro erforderlich. Staatssekretär Graziano Delrio kündigte dazu ausführliche Erklärungen von Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan an.

Mittwoch ist Schultag

Dienstagabend nahm Renzi auch die letzte Hürde im Parlament. In der Abgeordnetenkammer gewann er mit 378 Ja- gegen 200 Nein-Stimmen die Vertrauensabstimmung. Nun will er mit den Bürgern in Kontakt treten: In Treviso besucht er heute, Mittwoch, eine Schule. Künftig will er sich jeden Mittwoch für Schulbesuche in ganz Italien freihalten.

(Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 26.2.2014)