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Verantwortung tragen kann nicht heißen: Rübe ab. Wir haben absolut nichts vertuscht. Aufsichtsrat Ederer 2006.

Foto: APA/Barbara Gindl

Aufstieg und Fall der Hypo Alpe Adria könnten getrost als Plot für einen Wirtschaftskrimi dienen - im Mittelpunkt der Handlung müsste jener Mann stehen, der die Bank von Ende 1992 bis Sommer 2006 geführt hat: Wolfgang Kulterer. 1992 hatte die Bank 1,87 Mrd. Euro Bilanzsumme, die stieg bis 2008 auf 43,3 Mrd.

Nicht, dass der Kärntner Bauernsohn Kulterer am Debakel, als das sich die von ihm gepriesene und stolz präsentierte "Wachstumsstory" der Bank erweisen sollte, allein schuld trüge, bei Weitem nicht. Aber: Kulterer, der Ex-Raiffeisen-Kärnten-Banker, war genau so ein karrieregetriebener Aufsteiger, mit dem sich der Traum der Eigentümer von einer Klagenfurter Großbank mit Riesen-Tochternetz in Südosteuropa zu verwirklichen schienen ließ.

Großmannssucht

Der studierte Betriebswirt mit Post-Graduate-Abschluss der Harvard-Business-School in Lausanne war ehrgeizig, nicht zimperlich und risikoaffin (auch privat, wie seine Erfolge als Military-Reiter bewiesen) und bis zum bittren Ende loyal der Politik gegenüber. Genau der Richtige also für die Landesbank, mit der die Kärntner, vor allem ab der Ära Jörg Haider, "denen in Wien" und großstädtischen Konkurrenten wie Raiffeisen, Erste oder Bawag zeigen wollten, wo der Barthl den Most, in dem Fall: Der Kärntner das Geld holt. Geld fürs Land, Geld für dessen Unabhängigkeit, Geld für die Protagonisten der nunmehrigen Causa Hypo Alpe Adria, für Berater, für friends&party&family, wie man vermuten könnte.

Dabei war schon der erste Expansionsschritt der Hypo ein schillernder. 2000 waren Spekulationsgeschäfte der kleinen RBB Wolfsberg schiefgelaufen; die Bank fuhr 30 Mio. Euro Verlust ein. Sie musste gerettet werden: Der Mehrheitseignerin Grawe unter Othmar Ederer sprang dankenswerterweise die Kärntner Hypo bei.

FPÖ-Connection

Manche sahen die RBB als Finanzierungsvehikel für die FPÖ, was stets zurückgewiesen wurde. Faktum bleibt, dass der damalige RBB-Chef, Hans-Dieter Prentner, 2000 mit Haider in Libyen war und von ihm "oft in wirtschaftlichen Dingen um Rat gefragt wurde", wie er später erklären sollte.

Vor allem ab der Jahrtausendwende wuchs die Bank rapide, die Kärntner kauften in Südosteuropa ein wie wild und expandierten dort vor allem über ihre Leasinggesellschaften. Deren großer Vorteil: Sie werden nicht von den Bankenaufsehern kontrolliert. Ob Kriegsgewinnler und (Ex-)Politiker wie Vladimir Zagorec oder windige Geschäftsleute: Die Hypo unter Kulterer und Günther Striedinger, der 2000 entgegen den Rat der Personalberater an Bord gekommen war, gab Kredite auch an Kunden, an denen andere Kreditinstitute nicht anstreifen wollten. Endfällige Kredite zumal - die dann bei Nichterfüllung prolongiert und nachfinanziert wurden; und, wenn alle Stricke rissen, als eigene Beteiligung in der Hypo-Consultants endeten.

Die Kreditrally wurde von zweierlei begünstigt: von den Landeshaftungen und vom mäßigen Aufmerksamkeitsgrad der Hypo-Kontrollore. Die Haftungen stiegen von 2003 bis 2006 (ab 2007 durften keine neuen mehr vergeben werden) von sechs auf fast 25 Mrd. Euro. Und der Aufsichtsrat hat sich offenbar nicht rasend gesorgt (Mitglieder waren, etwa Ederer, Haider-Freunde wie Kika-Chef Herbert Koch oder Veit Schalle) und die Wirtschaftsprüfer (zunächst Confida Kärnten) auch nicht.

"Betriebsunfall"

Erst 2006, als die Spekulationsverluste des Jahres 2004 aufflogen und Co-Wirtschaftsprüfer Deloitte das Testat zurückzog, wurde das Feuer am Dach entdeckt. Die Aufsichtsbehörde FMA trat auf den Plan und zeigte Kulterer, Striedinger & Co an. Die Eigentümervertreter - und das mag das Verhältnis zu "ihrer" Bank und zur Aufsicht in Wien gut illustrieren - fanden das übertrieben. Haider kritisierte "den Übereifer der Justiz", Aufsichtratsvizechef Ederer dachte gar nicht an Konsequenzen: "Verantwortung tragen kann nicht heißen: Rübe ab. Wir haben absolut nichts vertuscht". Für Hypo-Präsident Karl-Heinz Moser (Confida Wien) war die Sache ein "Betriebsunfall". Kulterer musste trotzdem gehen. Er wurde: Aufsichtsratschef - und wegen Bilanzfälschung verurteilt.

Klar war, spätestens, seit damals: Die Bank wuchs viel zu schnell, war chronisch unterkapitalisiert und ihre Risikosysteme funktionierten nicht. Prüfungen der Aufsicht gab es in der Folge sogar. Aber: Die kritischen Berichte (wie der über die Eigenkapitalfinanzierung via Vorzugsaktien und Liechtenstein) dürften niemanden interessiert haben. Folgen zeitigten sie jedenfalls nicht. Während manche noch vom Börsegang träumten und an seiner Vorbereitung gut verdienten, wusste zumindest einer schon, dass es besser wäre, die Bank schnell loszuwerden: Jörg Haider.

Nachdem die Gruppe um Investmentbanker Tilo Berlin Ende 2006 in die Bank eingestiegen war ("Privat war ich mit meinen Reserven am Ende, wusste nicht einmal, wie ich das Schulgeld der im Ausland befindlichen Kinder bezahlen sollte", hielt er später fest), wurde die BayernLB als Retter in der Not aufgetan. Im Mai 2006 war der Verkaufsdeal unterschrieben.

Die Bayern konnten loslegen, und das taten sie denn auch. Sie blieben bei Altbewährtem. Ob unter Berlin oder Franz Pinkl (hat zuvor geholfen, die ÖVAG teilverstaatlichungsreif zu machen): Das Motto blieb Expansion im Blindflug.

Bis Sommer 2009, da hatten die Bayern die erste "Gefährdungsanalyse" von PwC auf dem Tisch und wurden wohl nervös. Keine vier Monate später war das Abenteuer Kärnten für die Deutschen vorbei, seither gehört das Abenteuer allen Österreichern. Nerven hat bis dato nur einer gezeigt: Wolfgang Kulterer. Der Exbanker hat im Vorzugsaktienprozess ein Geständnis abgelegt - und geweint. (Renate Graber, DER STANDARD, 25.2.2014)