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Viele Russen wollen den Machtwechsel in Kiew nicht akzeptieren. Sie formieren sich nun in Milizen.

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Russen lassen sich für die Bürgerwache registrieren.

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Parade in Sevastopol, wo Russland den Hauptstützpunkt seiner Schwarzmeerflotte unterhält.

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Versammlung der Krimtataren in Simferopol. Sie fordern, dass auch hier auf der Krim-Halbinsel, Lenin-Statuen gestürzt werden.

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Die Krim-Halbinsel am Schwarzen Meer könnte der letzte sichere Hafen für Präsident Janukowitsch sein, wurde er doch laut Augenzeugenberichten zuletzt in der Stadt Sewastopol gesehen. Es ist die letzte Bastion, in der auch Russland seinen Einfluss geltend machen könnte, sollte der Machtwechsel Bestand haben. Die Region ist strategisch und auch symbolisch von immenser Bedeutung. Hier hat Russlands Schwarzmeerflotte nach wie vor ihre Basis, so erhält sie Zugang zum Mittelmeer. Vor dem Zerfall der Sowjetunion noch Hoheitsgebiet, hat die russische Regierung seither einen bis 2042 laufenden Vertrag mit der Ukraine laufen, der ihr die Stationierung erlaubt. Die Ukraine erhält im Gegenzug einen Preisrabatt beim Gasbezug aus Russland.

Die Krim-Halbinsel gehörte bis 1954 zu Russland, dann erst wurde sie von den Behörden dem ukrainischen Teil der Sowjetunion eingegliedert. Der damalige Regierungschef Nikita Chruschtschow, selbst gebürtiger Ukrainer, soll sich damit selbst ein Geschenk gemacht haben. Nach 1991 blieb die Krim ukrainisch. Heute besteht die Bevölkerung zu ca. 60 Prozent aus ethnischen Russen, zu 25 Prozent aus Urkainern. Die Krimtataren, die unter Stalin verfolgt wurden, stellen weitere 12 Prozent der insgesamt zwei Millionen Bewohner von Krim.

Angst vor Faschisten

So heterogen wie die Bevölkerung ist, sind nun auch die Ansichten zu den Ereignissen in Kiew. Teile der russischsprachigen Bevölkerung und die übriggebliebenen Anhängern von Wiktor Janukowitsch fürchten nun nach dem Umsturz, zu Verfolgten zu werden. Inzwischen haben sich deshalb hunderte Männer mittleren Alters in Simferopol für eigene Milizen registriert. Sie wollen ihre Republik gegen die Demonstranten am Maidan-Platz und die neue Führung in der Rada verteidigen, notfalls auch mit Gewalt. Die größte Bedrohung geht laut ihnen von den rechtsextremen und faschistischen Gruppierungen aus.

Diese hätten nach dem Umsturz nun Zugang zu den Waffen und könnten jederzeit die Krim-Halbinsel angreifen. Auch Russland wurde deshalb schon gebeten, zu Hilfe zu eilen, reagierte darauf aber bis dato nicht. Die lokale Regierung hat die Anzahl der Polizeipatrouillen in der Öffentlichkeit verstärkt. Militärische Einrichtungen werden gezielt überwacht. Noch während der heftigen Auseinandersetzungen in Kiew vergangene Woche begannen sich die Bewohner Krims für einen etwaigen Notstand einzudecken.

Aufmarsch mit russischen Flaggen

Als jedoch am Freitag eine EU-vermittelte Einigung zwischen den Konfliktparteien erzielt werden konnte und die Berkut-Truppen, die den "Anti-Terror"-Einsatz von Janukowitsch geleitet hatten, wieder nach Hause auf die Krim geschickt wurden, wurde ihnen bei ihrer Ankunft großer Jubel entgegengebracht. Schaulustige feierten sie als Helden, obwohl Janukowitsch bereits auf der Flucht war und sich die Einheit anschließend von ihm distanzierte.

Tags darauf versuchte Krims Premier, Mitglied von Janukowitschs Partei, die Lage zu beruhigen. Er dementierte Abspaltungsgerüchte, wie sie zuletzt vom Parlamentssprecher gestreut worden waren, und sagte dem ukrainischen Parlament seine Unterstützung zu. Schuld an den gewalttätigen Ausschreitungen hätten beide Seiten, sowohl die Regierung als auch die Opposition. Trotzdem gingen noch am Sonntag tausende Bewohner Krims in Sewastopol auf die Straße, ausgestattet mit russischen Flaggen. Während ihrer Kundgebung wählten sie auch gleich einen neuen Bürgermeister für die Stadt. Auch am Montag gingen sie wieder auf die Straße.

Crowd of pro Russia activists at Sevastopol city administration chanting "We won't surrender Sevastopol!" pic.twitter.com/NeILm9uYxp

— Paul Sonne (@PaulSonne) 24. Februar 2014

Krimtataren als Kremlgegner

Die Idee, sich gänzlich von der Ukraine abzuspalten, ist auch unter dem russischsprachigen Teil eine äußerst umstrittene Frage. Laut Umfragen will nur die Hälfte wieder zu Russland gehören. Andere Teile wünschen sich ausschließlich mehr Unabhängigkeit von Kiew, nicht aber Wladimir Putin als neuen Präsidenten. Und auch vehemente Kremlgegner sind auf der Krim zu finden. Die Krimtataren, einst vom stalinistischen Regime verfolgt und deportiert, zählen deshalb auch zu den vehementesten Befürwortern der pro-europäischen Proteste am Maidan.

Auch wenn russische Nationalisten auf der Krim-Halbinsel die derzeitige fragile Situation als einmalige Chance für eine Abspaltung sehen und die Ausgangslage Ähnlichkeiten haben mag mit jener 2008 vor dem Kaukasuskrieg zwischen Russland und Georgien, wäre es für Russland ein sehr großes Risiko seine Macht ausgerechnet in dieser ethnisch vielfältigen Region zu demonstrieren. (Teresa Eder, derStandard.at, 24.2.2014)