"Grenzen werden oft aus Unwissen überschritten"

"Da stinkt's ja wie in einer Moschee" ist wohl nicht die freundlichste Begrüßung, wenn ein Lehrer in der Früh die Klasse betritt. Alltagsrassismen sind aber vereinzelt bei Lehrern anzutreffen, vor allem bei der älteren Generati- on. Sie sind mit Begriffen aufgewachsen, die für jüngere Kollegen ein klares Tabu darstellen. Heute, da sich die Zusammensetzung der Schulklassen verändert hat und der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund gestiegen ist, wäre es für Lehrer aber noch wichtiger, mehr Achtsamkeit auf ihre Wortwahl zu legen. "Wir sind hier in Österreich und lesen von links nach rechts, nicht umgekehrt wie in Arabien" - spaßhafte Bemerkung oder diskriminierend? Wo Rassismus anfängt, hängt meist vom Kontext ab. Grenzen werden oft nicht bewusst, sondern aufgrund von Unwissenheit oder Unüberlegtheit überschritten. Doch auch wenn etwas nicht rassistisch gemeint ist, kann es dennoch so aufgefasst wer- den. Sich persönlich bei einem Lehrer zu beschweren ist oft leichter gesagt als getan: Man hat Angst, gezielt schlechter benotet zu werden.

Jakob Pflügl (17), BRG Piaristengasse, Krems

"Ich scheue mich nicht davor zurückzuschreien"

Neulich haben wir im Geschichtsunterricht einen Film angeschaut, in dem es um die Sklaverei in Afrika ging. Danach hat die Lehrerin Amina und mich angeschaut, weil wir beide dunkelhäutig sind, und gefragt, wie wir uns bei so einem Film fühlen. Natürlich waren es schreckliche Bilder, aber sie waren für alle Menschen in diesem Raum schrecklich. Oft sind es aber die kleinen Dinge, die ebenso wehtun: Sobald wir über irgendetwas mit Afrika reden, schauen dich die Leute an. Wieso wird von mir erwartet, alles über Afrika zu wissen? Das ist ja absurd.

Außerhalb der Schule kriege ich Rassismus öfters mit, aber ich scheue mich auch nicht davor, zurückzuschreien oder auf Beleidigungen zu reagieren. Einmal bin ich in der U-Bahn-Station Westbahnhof von einem Betrunkenen angepöbelt worden, der meinte, ich würde im Weg stehen. "Du schaust aus wie eine Terroristin, schleich dich", rief er mir zu. Alle Passanten haben nur betreten weggeschaut. Schließlich rief ich zurück: "Ich bin eine Wienerin - ob's Ihnen passt oder nicht. Schönen Tag noch."

Meral Nur (18), Theodor-Kramer-Straße Wien

"'He, du Schwarze', rief er mich immer wieder"

In der ersten Klasse im Gymnasium habe ich mich das erste Mal diskriminiert gefühlt: Ich hatte den Eindruck, dass unsere Deutschlehrerin alle Schüler mit Migrationshintergrund schlechter behandelt. Einmal ist sie aus der Klasse gegangen und hat leise "Diese schwarzen Kinder ..." gemurmelt. Nach zwei Jahren hat sie glücklicherweise die Schule gewechselt. Wirklich niemand hat sie gemocht.

Auch ein Junge aus der Nebenklasse, der mich nicht einmal kannte, hat plötzlich angefangen, mich "He, du Schwarze!" zu rufen. Er hat auch oft gesagt, dass ich auf der Straße lebe, arm sei, und hat weitere Gerüchte verbreitet. Wenn er allein war, hat er nichts gemacht, aber wenn andere dabei waren, hat er mich sofort beleidigt und sich vor seinen Freunden cool gestellt. Ich habe es meinen Lehrern gesagt, aber die haben nichts gemacht. Bis auf meine Turnlehrerin: Sie hat ihm gedroht, seine Eltern anzurufen, wenn er nicht aufhört. Das hat dann geklappt. Noch immer schaut er mich manchmal böse an, wenn ich ihm auf dem Gang begegne, aber er beleidigt mich nicht mehr.

Yasmin El Sayed (12), BRG Perchtoldsdorf

"Oft habe ich das Gefühl, bevorzugt zu werden"

Schon oft hatte ich das Gefühl, aufgrund meiner österreichischen Herkunft bevorzugt behandelt zu werden - oder es zumindest einfacher zu haben als so mancher Schüler mit Migrationshintergrund. Viele Lehrer gehen sofort davon aus, dass ich Deutsch perfekt beherrsche und viele Dinge schneller verstehe. Bei so mancher Lehrkraft kann ich mir auch mehr erlauben. Rassismus ist im Schulalltag gang und gäbe, besteht aber zumeist aus Vorurteilen, die nicht bewusst vorangetrieben werden. Meine Klasse ist bunt durchmischt und reich an verschiedenen Kulturen und Ansichten. Einerseits gibt es Lehrer, die dem gegenüber nicht gerade aufgeschlossen sind. Andererseits kenne ich auch ebenso viele Lehrer, die die kulturelle Vielfalt unserer Klasse als Bereicherung sehen und bewusst in den Unterricht einbauen.

Wenn migrantische Schüler die von der Gesellschaft auferlegten Klischees nicht erfüllen, finde ich das positiv. Und doch haben es besonders Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, schwerer, sich durchzusetzen und fair benotet zu werden.

Sophie Pennekamp (18), Sperlgymnasium

(Alle Texte: SCHÜLERSTANDARD, 24.2.2014)