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Ungleicher könnte ein Paar kaum sein. Ungestüm und frenetisch der eine, sanft und geduldig der andere. Wo Matteo ­Renzi die Konfrontation sucht, setzt Graziano Delrio auf seine Fähigkeiten als Mediator. Der scheidende Regionenminister und engste Vertraute des neuen italienischen Premiers hat am Samstag auf dem Regiestuhl des Kabinetts Platz genommen – als Staatssekretär im Präsidium des Ministerrats. 

Was offiziell wie ein Abstieg anmutet, kommt in Wirklichkeit einer Beförderung gleich. Delrio ist die graue Eminenz in Renzis Kabinett, der ruhende Pol, der sich ­diskret um die Lösung schwieriger Probleme kümmert. Alle wichtigen Agenden landen auf seinem Schreibtisch. Der 53-Jährige gilt als einer der kompetentesten und fähigsten Politiker Italiens, der auch bei politischen Gegnern Anerkennung findet. "Ich würde ihm meine Brieftasche bedenkenlos anvertrauen" , gesteht Guido Crosetto, Senator der Rechten.

Renzi und Delrio haben sich im Gemeindenverband kennen- und schätzen gelernt: als Bürgermeister von Florenz und Reggio Emilia. Renzi förderte Delrios Wahl zum Präsidenten. Der Sohn eines kommunistischen Maurers   und begeisterte Fußballer wandelte sich am Gymnasium vom Anarchisten zum engagierten Katholiken. Er promovierte in Medizin, forschte in Großbritannien und Israel, publizierte Arbeiten zur Endokrinologie und lehrte an der Universität in Modena. 1999 zog er in den Gemeinderat von Reggio ein, 2000 ins Regionalparlament in Bologna. Im Juni 2004 wurde er zum ersten nichtkommunistischen Bürgermeister seit 1945 gewählt.

Mit 22 Jahren heiratete er seine Frau Annamaria. Die Familie kann sich sehen lassen: Die beiden haben neun ­Kinder im Alter zwischen 15 und 33 Jahren. "Das ist wie ein Leben in einer Gemeinschaft", schwärmt Delrio. "Es funktioniert nur mit genauen Regeln. Jeder weiß, wann er den Tisch abräumen muss. Natürlich konnten wir uns nur kurze Urlaube leisten. Dann fuhr die Hälfte mit dem Auto, die andere Hälfte mit dem Zug."

Delrio fühlt sich als Diener des Staates. Der Veränderungswut des jungen Premiers begegnet er mit Realitätsempfinden, führt ihn auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Renzi vertraut seinem 15 Jahre älteren Alter Ego blind. Eigentlich wollte sich Delrio bald aus der Politik zurückziehen. Das dürfte ihm kaum gelingen. Im Gegenteil: Er gilt mittlerweile als Idealfigur für das Amt eines zukünftigen Regierungschefs. (Gerhard Mumelter/ DER STANDARD, 24.2.2014)