Die Strategie, auf solche Treffen demonstrativ verstimmt zu reagieren, spiegelt auch eine Verschärfung der Minderheitenpolitik wider.
Kaum war das Treffen von US-Präsident Barack Obama mit dem Dalai Lama bekannt, zog Pekings Führung alle Register ihres Unmuts, um es durch Appelle und Drohungen noch in letzter Minute zu verhindern. Schon Freitagfrüh forderte die Sprecherin des Außenministeriums, das Treffen "unverzüglich wieder abzusagen". Auch Pekings Diplomaten wurden in Washington vorstellig.
Am Nachmittag bekräftigte Sprecherin Hua Chunying noch einmal ihre Warnungen auf einer Pressekonferenz: Sie sprach nun von einer "groben Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten" . Sie setzte hinzu: "Falls ein Land Chinas Interessen beschädigen wolle, wird es am Ende nur seinen eigenen Interessen schaden."
Zu dem Zeitpunkt wusste Peking, dass der von der Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Caitlin Hayden, offiziell angekündigte Besuchstermin nicht rückgängig gemacht werden kann. Und es auch keinen Grund dazu gebe: Die USA zögen die Zugehörigkeit Tibets zu China nicht in Zweifel. Obama treffe den Dalai Lama in dessen Eigenschaft als "international respektierter, religiöser und kultureller Führer" .
Hayden baute Peking noch eine Brücke gegen Missverständnisse. Obama würde den Dalai Lama zum dritten Mal nach Februar 2010 und Juli 2011 treffen und auch wieder im dafür ausgewählten Kartenraum des Weißen Hauses, einem protokollarischen Empfangsraum für Gäste des Präsidenten. Es sei nicht das für Staatsbesucher gedachte "Oval Office" .
Lehre aus Treffen mit Merkel
Schon 2010 und 2011 hatte Peking gegen die Treffen der beiden Friedensnobelpreisträger protestiert, war dann aber schnell wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt. Diesmal reagiert China gereizter. Die Führung sieht sich in ihrem harten Kurs vom Verhalten Europas bestätigt. Noch vor zehn Jahren fand dort der Dalai Lama freien Zugang zu den Regierungssitzen. Als ihn Kanzlerin Angela Merkel 2007 traf, nahm ihr die Volksrepublik das demonstrativ übel. Seither muss der 78-Jährige in Europa einen Bogen um Regierungsviertel machen.
Chinas Regierung hat alle früheren Verhandlungsversuche mit Abgeordneten des Dalai Lama eingestellt. Sie unterstellt ihm, ein Vorkämpfer für die Abspaltung Tibets zu sein. Derzeit reagieren die Behörden besonders nervös, weil sich 2014 der 55. Gedenktag für die 1959 von ihnen blutig unterdrückte tibetische Volkserhebung jährt. Peking befürchtet Unruhen in Lhasa, wo es zuletzt 2008 zum Aufruhr kam. China beschuldigt die "Dalai-Lama-Clique" zudem, hinter mehr als 120 Fällen von Selbstverbrennungen in den vergangenen Jahren zu stehen.
Die Verhärtung im Umgang macht auch ein Aufsatz des einflussreichen Politikers Zhu Weiqun deutlich. Er gehörte einst zur chinesischen Verhandlungsdelegation, die mit den Vertretern des Dalai Lama den Dialog suchte. Zhu, der Chef der Minderheiten- und Religionskommission im chinesischen Beraterparlament ist, fordert nun, dass sich Chinas Regierung von ihrer defensiven "passiven Rolle" in der Tibet- und Xinjiangpolitik verabschieden muss. Der Westen würde die dortigen ethnischen Probleme übertreiben und zur Unterwanderung der Volksrepublik nutzen. (Johnny Erling aus Peking /DER STANDARD, 22.2.2014)