Linz - Ben Lyons liegt im Sterben. Clemens Aap Lindenberg (als Ben) siecht als jenes Familienoberhaupt im Spitalsbett dahin, Besuch empfängt er nicht - er erträgt ihn höchstens. Und auch das nicht mit Größe, sondern mit einer Abscheu, die er lautstark kundtut. Alle, nicht nur Ben, sind samt Krankenschwester (Betty Schwarz) in diesem Limbus namens Familie gefangen: Sie können nicht ohne und schon gar nicht miteinander. Sie möchten geliebt werden, können jedoch selbst nicht lieben. Nur dem toten Vater ist es schließlich vergönnt, wenigstens seinen eigenen verstorbenen Vater wiederzusehen.

Die anderen - die alkoholkranke Tochter Lisa, der beziehungsunfähige Sohn Curtiz und die böseste aller Mütter und Ehefrauen, also Rita, - sie sind mehr oder weniger dazu verdammt, einander und sich selbst zu ertragen. Auch als Rita sich nach dem Tod ihres Mannes mit einem Jüngeren davonmacht und damit nebenbei die Tochter einmal mehr verletzt ("Vater hatte recht, sie ist ein Miststück"), ist dies allerdings auch kein echtes Entkommen aus einem Leben, dessen Fülle - wenn überhaupt - aus Mangel besteht.

Ein Glücksfall-Ensemble

Nicky Silvers Dialoge in dem Stück The Lyons sind böse, wenngleich von verzweifeltem Ringen nach Zuwendung geprägt: Der 54-jährige New Yorker Autor beweist in seiner Schonungslosigkeit denn auch einen Hang zu fast liebevoller Ironie; und Regisseur Hakon Hirzenberger inszeniert mit einem Glücksfall-Ensemble dementsprechend: Allen voran überzeugt eine entfesselt böse Ingrid Höller als Mutter, die einen ob ihrer Gleichgültigkeit und Gefühlskälte erschaudern lässt. Daneben beeindruckt Judith Richter als masochistische und unter mangelndem elterlichen Interesse leidende Tochter ("Ich war in der vierten Klasse zum ersten Mal besoffen! Keinen hat's interessiert!").

Der Sohn? Felix Rank flüchtet sich als Curtiz in Obsessionen, beobachtet erfundene Liebhaber (David Fuchs) und "rettet" sich aus der ausweglosen Rolle des zur elterlichen Enttäuschung gewordenen homosexuellen Sohnes, indem er zur noch größeren Enttäuschung für sich selbst wird.

Nicky Silver stellt seine Figuren als körpergewordenen Abgrund auf die Bühne, als Figuren, die am Ende in absurd-liebevoller Einigkeit von Neuem auf die Verdammnis namens "Familie" blicken. (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 22.2.2014)