Eine gigantische Eröffnungsshow, zumindest halbwegs gut besuchte Wettkämpfe und bemerkenswerte sportliche Leistungen - die enormen Ausgaben für die Olympischen Winterspiele haben sich für die russische Führung vermutlich ausgezahlt. Doch immer noch bleibt die Frage: Was wird danach?
Wladimir Putin hat keine Kosten gescheut, um seine Spiele in Sotschi zum Erfolg zu führen. Rund 40 Milliarden Euro sollen in die Vorbereitung geflossen sein, teils in die Olympiaobjekte selbst, teils in die Infrastruktur Sotschis. Diese hätte ohnehin einer Erneuerung bedurft, betonen Verantwortliche wie der Vizepremierminister Dmitri Kosak immer wieder und rechnen deren Kosten daher aus den Investitionen heraus. "Wir rechnen damit, dass sich die staatlichen Investitionen über erhöhte Steuereinnahmen und eine stärkere Wirtschaftskraft der Region Sotschi innerhalb von zehn Jahren rentieren. Wie schnell sich die privaten Investitionen lohnen, hängt auch von der Effizienz und dem Geschick der Unternehmer ab", sagte Kosak, der für die Koordination der Vorbereitungen für die Spiele zu sorgen hatte, dem Standard.
Doch ganz so einfach ist es nicht, denn die Infrastruktur muss auch instand gehalten werden. Eine Eisenbahnlinie und eine neue Straße - immerhin 6,5 Milliarden Euro teuer - nach Krasnaja Poljana sind weder nötig noch sinnvoll, wenn anschließend keine Gäste in die Region kommen. Genauso wenig wie 40.000 Hotelzimmer mit 80.000 Betten, wenn maximal die Hälfte an Urlaubern erwartet wird. Für einige Investoren erwies sich schon der enge Olympia-Zeitplan als fatal. Seine volle Bettenkapazität hat Sotschi noch nicht erreicht. Mehrere Hotels werden erst jetzt eröffnet werden.
Doch Russland hat große Ambitionen. Sotschi soll Skikurorten in Österreich und der Schweiz ernsthafte Konkurrenz machen, heißt es. Dazu soll eine neue Staatsholding gegründet werden, die das olympische Erbe verwaltet - so zumindest der Vorschlag, den nun der Duma-Ausschuss für Tourismusentwicklung und Wirtschaftspolitik unterbreitet. Es gibt sogar schon einen Namen für das Kind: "Rosturism - Sotschi".
An der Holding sollen neben dem russischen Staat und der regionalen Krasnodarer Tourismusbehörde auch interessierte Privatinvestoren beteiligt werden.
Sie müssen dann entscheiden, was mit dem Fischt-Stadion zu tun ist, in dem die Eröffnungsfeier stattgefunden hat. Der Umbau zu einem der zwölf Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 mit dann mehr als 47.000 statt bisher 40.000 Plätzen ist schon beschlossene Sache, aber da es in Sotschi derzeit nicht einmal einen drittklassigen Fußballklub gibt, wird das Stadion ansonsten wohl weitgehend leerstehen - wenn nicht ein Oligarch auf Anweisung oder aus eigenem Antrieb eine konkurrenzfähige Fußballmannschaft kurzerhand nach Sotschi verpflanzt.
Immerhin, der für die Eishockey-Spiele genutzte große Bolschi-Eispalast und das Eislaufstadion Adler-Arena haben zumindest lose Nachnutzungspläne. Ersterer könnte zur Sport- und Konzerthalle umfunktioniert werden, eventuell auch zu einer Halle mit Radrennbahn. Ein ernstzunehmendes Eishockeyteam gibt es in dem Kurort am Schwarzen Meer auch nicht. Zweitere soll zum größten Messezentrum Südrusslands werden.
Standorttreue Eisarena
Unklar ist aber noch die Zukunft der kleinen 7000 Zuschauer fassenden Eisarena. Eigentlich sollte das Stadion abgebaut und dann an anderer Stelle wieder neu aufgebaut werden. Gleich drei Orte, Wladikawkas, Krasnodar und Nischni Nowgorod, waren im Gespräch gewesen, doch dann stellte sich heraus, dass die Arena wegen ihres Fundaments wohl doch nicht zu verlegen ist.
Ebenfalls zerschlagen hat sich wegen der hohen Kosten der Plan, die Curling-Arena nach Rostow am Don zu verlegen. Nun soll angeblich nur die Innenausstattung rausfliegen und möglicherweise ein Sport- und Vergnügungszentrum entstehen. Das benachbarte Media-Center wird dann zum Einkaufszentrum. Völlig unklar ist die Zukunft des "Eisbergs", also des Eissportpalasts, in dem der Eiskunstlauf und Shorttrack stattfanden. Der Plan, eine Radbahn zu bauen, wurde verworfen.
Abgebaut werden sollen dagegen die Trainingshallen für Eishockey und Eiskunstlauf. Sie werden in Stawropol als Sporthallen wieder aufgebaut. Die Bob- und Rodelbahn und die Sprungschanzen wiederum bleiben Sotschi erhalten. Hier sollen Trainingszentren für russische Sportler entstehen. Darauf, dass das RusSki Gorki Jumping Center niemals wieder eine hochklassige Konkurrenz zugesprochen bekommt, wird in der Szene schon gewettet. Schließlich hat Russland in den vergangenen Jahren in Tschaikowsky bei Perm und in Nischni Tagil bei Jekaterinburg Schanzenanlagen errichtet bzw. adaptiert, die für den Weltcup besser geeignet sind.
Deripaska hat Sorgen
Sorgen haben auch die großen Privatinvestoren. Das Olympiadorf soll Milliardär Oleg Deripaska rund eine halbe Milliarde Euro gekostet haben. Um das wieder hereinzuholen, will der Oligarch den 75 Hektar großen Wohnkomplex verkaufen. Ob sich so viele Käufer für die Luxuswohnungen finden, steht in den Sternen.
Genauso unsicher ist der Erfolg des Kurorts Rosa Chutor von Wladimir Potanin. "Es sind etwa fünf bis sieben Jahre Vorzugsbedingungen nötig", damit sich Rosa Chutor tragen könne, sagte Potanin dem russischen Staatsfernsehen. Konkret fordert der Milliardär Steuererleichterungen und Aufschub bei den Kreditrückzahlungen für die Investoren.
Eine endgültige Entscheidung, wie mit Sotschi weiter verfahren wird, hat die Regierung noch nicht getroffen. Es dürfte nicht in Putins Interesse sein, dass sich die Hotels und Anlagen in Investitionsruinen verwandeln. Zwar schloss Putin Zuschüsse aus ("Wohl kaum kann jetzt jemand noch zusätzliche Dotationen erwarten, da bereits kolossale Ressourcen aufgewendet wurden."), ein weiteres finanzielles Engagement des Staates in der Region scheint aber unausweichlich, wenn die Spiele der Anfang einer Entwicklung gewesen sein sollen - und nicht schon die Krönung. (André Ballin - DER STANDARD, 22.2. 2014)