Vor wenigen Wochen warnte der amerikanische Historiker Timothy Snyder bei einer vom STANDARD mitveranstalteten Diskussion im Burgtheater: Die Ukraine sei derzeit der Ort einer Konfrontation mit weitreichenden Konsequenzen - zwischen der für die meisten Ukrainer attraktiven "soft power" EU und Russland als "hard power" alter nationalstaatlicher Prägung.

Als der Kommunismus vor mehr als 20 Jahren in Osteuropa zusammenbrach, sei der Ruf der Osteuropäer gewesen: "Wir wollen nach Europa." Europa als Synonym für Wohlstand, Frieden, Rechtsstaat und bürgerliche Freiheiten.

Ein großer Teil der Ukrainer will "nach Europa" - mit dem Ergebnis von dutzenden Toten, bisher. Snyders Opus magnum hieß Bloodlands, eine Geschichte der Region zwischen Deutschland und Russland im 20. Jahrhundert mit ihren fürchterlichen Massakern. Kein Vergleich zur heutigen Ukraine, und doch ist die Erkenntnis tief beunruhigend, dass das verrottete ukrainische System und seine russischen Hintermänner ihre Bürger mit aller Gewalt davon abhalten wollen, "nach Europa" zu gehen.

Wie damit umgehen? In Österreich wird man peinlich daran erinnert, dass wir Fluchthafen für ukrainische Oligarchen und ihr Geld sind. In Sotschi schlagen Kosaken als Putins Hilfspolizei die Pussy-Riot-Frauen mit der Knute zusammen, und das IOC wimmert: "Bitte keine Politik." Findet hier eine äußerst ungute Wende ins Gestern statt? (Hans Rauscher, DER STANDARD, 21.2.2014)