Wien - Es war ein Traum, den Pensionsreformer weltweit teilten: Statt auf das wegen der Alterung wankende staatliche Umlagesystem, das Pensionen durch die aktuellen Beitragszahler finanzieren lässt, zu vertrauen, sollten die Bürger lieber individuell fürs Alter ansparen und das Geld am Finanzmarkt arbeiten lassen - um letztlich sichere Pensionen zu niedrigeren Kosten zu erhalten.
"Diese Hoffnung hat sich in keiner Weise bewahrheitet", sagt Agnes Streissler. Im Auftrag der Arbeiterkammer hat die wirtschaftspolitische Beraterin kapitalgedeckte Pensionssysteme mit staatlicher Förderung in Deutschland, den Niederlanden, Polen und den USA untersucht - und in Studienform eine "Gegenstory" zum Loblied der Banken und Versicherungen vorgelegt. Kapitalgestützte Pensionen würden genauso wie das Umlagesystem von Demografie, Inflation, Wachstum beeinflusst, urteilt Streissler: "Doch dazu kommt noch das Risiko des Finanzmarkts."
Wie dramatisch sich dieses auswirken kann, illustriert die Studie am Fallbeispiel USA: Nach Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 war das Gesamtvermögen der amerikanischen Betriebspensionsfonds binnen eines Jahres um ein Viertel geschmolzen - mit 750 Milliarden Dollar machten die vernichteten Spargelder fast das Doppelte des österreichischen Bruttoinlandsprodukts aus.
Nicht billiger als der Staat
Pech für all jene, die knapp vor der Pension standen und deshalb von der folgenden Erholung der Fonds wenig hatten: Große Teile der älteren Bevölkerung, stellt Streissler fest, hätten einen "nicht mehr aufholbaren Vermögensverlust" hinnehmen müssen.
Heftige Einbrüche verbuchten auch die streng regulierten Pensionsfonds in den Niederlanden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer mussten laut Studie Beiträge nachschießen, um die vorgegebene Deckungsrate der Pensionen zu erfüllen, dazu kamen Leistungskürzungen. 66 von 514 niederländischen Fonds beschnitten im Vorjahr laufende Pensionen im Ausmaß von bis zu sechs Prozent.
Grassierende Altersarmut prognostiziert Streissler als Folge der Erosion der kapitalgedeckten Pensionen; am Ende werde erst recht der Staat einspringen müssen, um das Gröbste zu kompensieren. Die Kosten würden in solchen Modellen allenfalls verschoben, fielen aber nicht geringer aus als im Umlagesystem, sagt die Expertin - eher im Gegenteil, wenn man Verwaltungsaufwand und andere Nebenkosten inkludiere. Die Finanzmärkte könnten auf Dauer eben nicht höhere Erträge als die Realwirtschaft abwerfen, sagt Streissler: "Das sagt einem eigentlich schon der Hausverstand." (Gerald John, DER STANDARD, 21.2.2014)