Einblick in die Ausstellung "Musée à vendre pour cause de faillite" im Mumok mit mehreren Arbeiten von Michelangelo Pistoletto aus der Serie "Segno Arte" (1976/98).

Foto: Mumok, Laurent Ziegler

Wien - Fast meint man in der roten, sich an den Fahnenmast klammernden Silhouette Harald Lloyd zu erkennen. Kein anderer Stummfilmkomiker vollführte so tollkühne Balanceakte an den Fassaden von Wolkenkratzern. Womöglich ist das Gebäude, vor dem sich in John Baldessaris Bild der Kletterakt vollzieht, sogar ein Museum? Nachdem sich Konzeptkünstler Baldessari stets auch mit den Rahmenbedingungen der Kunst beschäftigt hat, eine nicht so abwegige Interpretation.

Fix ist hingegen, dass sich Baldessari während der Amtszeit von Jeffrey Deitch als Direktor des Moca (Museum of Contemporary Art) in Los Angeles aus Protest aus dem Aufsichtsrat des Hauses zurückgezogen hat. Auf das fast bankrotte Moca in der Geiselhaft ihres 30-Millionen-Kreditgebers Eli Broad bezog sich auch der Sammler Anton Herbert.

Herbert, der aus einer flämischen Textildynastie stammt, und dessen Vater, Politiker Tony Herbert, bereits gesammelt hatte, sprach am Mittwoch vor der Presse auch über die Motivationen hinter dem Sammeln und Ausstellen: "Der Kunst geht es schlecht, weil sie zu sehr in den Händen von Macht und Geld ist", spielte er auf die Krise der öffentlichen Häuser an, auf deren enges Korsett zuvor auch Mumok-Direktorin Karola Kraus hingewiesen hatte: "Wem wird es länger möglich sein, den nicht nur publikumsträchtigen Themen verpflichtet zu sein?"

Der bei Marcel Broodthaers entlehnte Titel der Sammlungspräsentation Musée a vendre pour cause de faillite ("Museum wegen Konkurses zu verkaufen") ist daher nur anti-programmatisch zu verstehen. Herbert erinnert zudem an den Versuch der portugiesischen Regierung, 85 Werke von Joan Miró zu Geld zu machen, und daran, dass in den Brüsseler Musées Royaux des Beaux-Arts die Sammlungen für Moderne und Gegenwart wegen Umbaus seit Jahren weggesperrt sind. Dort fehle es im Kopf, klagt er an. "Alles, was man hat, ist im Kopf und nicht in der Tasche!" Das könne er doch nicht zulassen, sagt er. Dann versagt ihm, sichtlich berührt, die Stimme.

Die Gegeninitiative? Anton und Annick Herbert machen ihre als "eine der bedeutendsten Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst in Europa" gerühmte Kollektion von Minimal Art und Konzeptkunst nun in der Herbert Foundation in Gent zugänglich: Seit Juni 2013 dient eine ehemalige Industriehalle als Quartier. Mit Wanderpräsentationen in anderen Häusern - z. B. 2006 im Macba in Barcelona und im Kunsthaus Graz (jene von Sammler Falckenberg in den Hamburger Deichtorhallen geplante platzte) ist nun erst einmal Schluss.

Opfer bringen

Worüber Herbert allerdings nicht redet, ist das, wofür Direktoren öffentlicher Häuser geteert und gefedert würden, auch wenn sie nur daran dächten: Er opferte, um die Foundation zu finanzieren, Teile seiner Sammlung - und ließ sie im November 2011 bei Christie's New York versteigern.

7,79 Millionen Dollar (5,65 Millionen Euro) brachte das ein, auch dank erfolgreicher Lots wie Carl Andres Stell-lead alloy square (2,43 Millionen Dollar), Bruce Naumans Installation White Breathing oder Arte Povera von Mario Merz (1,43 Millionen Dollar). Für sechs der 35 Arbeiten fand sich jedoch kein neuer Besitzer. Zum Glück, denn sonst würde Mike Kelleys Filzbanner Heart and Flowers (1988) mit dem roten, zwischen Monster und harmlosen Tintenfleck wechselnden Vexierbild nun in Wien fehlen.

"Total gebrainwashed" von ihrer bürgerlichen Welt- und Kunstanschauung (Anton Herbert) ist es tatsächlich gelungen, eine durch Stringenz überzeugende Sammlung aufzubauen, deren Arbeiten den Kunstbegriff weitergesponnen haben. Später, als "Konzept müde war", erweiterte man - dank Galeristenkontakten (etwa Gisela Capitain und Peter Pakesch) um Positionen wie Martin Kippenberger, Mike Kelley, Franz West oder Heimo Zobernig. Überzeugend ist, dass hier nicht wenig von Vielen, sondern von Wenigen viel gesammelt wurde. Tiefe statt Breite.

Zu sehen sind etwa (jeweils durch Werke aus dem Mumok ergänzt): Broodthaers in Kombination mit Richter und Zobernig, die den absurden Versuch, die Welt zu katalogisieren, dokumentieren. Oder die Gegenüberstellung von auratischer Minimal Art (Donald Judd) mit interaktiven, sich in Beziehung zum Betrachter bringenden Werken (Dan Graham, Franz West). Wunderbar das Kapitel zum Thema Zeit (u.a. mit Ian Wilson). Sparsam und dadurch wirksam inszeniert und in den angestrebten Dialogen gelungen. Überzeugend. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 21.2.2014)