Korneuburg – Die Welt ist klein, Niederösterreich ist noch kleiner. "Das Ganze ist ja in der Wachau bis Tulln ein Gesprächsthema", zeigt sich die Frau des Altbürgermeisters der 2000-Einwohner-Gemeinde Rohrendorf überzeugt, als sie vor Richterin Anna Wiesflecker ihre Zeugenaussage macht. "Das Ganze" ist, dass der Angeklagte Franz S. ihren Gatten und den Landesgerichtspräsidenten von Krems über Monate gestalkt haben soll. Mit Megafondurchsagen und Schmähplakaten, beispielsweise.

Am vergangenen Dienstag hat der 54-jährige S. seine Sicht der Dinge dargelegt. Er fühlt sich von der Gemeinde bei einem schon Jahre zurückliegenden Grundstückskauf betrogen, den Gerichtspräsidenten hat er wegen verlorener Prozesse im Fokus. Aber: Stalken wollte er nie. Auch Verteidiger Rudolf Lind argumentiert, seinem Mandanten sei es "primär um die öffentliche Anklageerhebung und nicht um eine Kontaktaufnahme" gegangen.

Am zweiten Verhandlungstag sind nun die Ziele von S. am Wort. Altbürgermeister Rudolf Danner leidet seit November 2011 – S. hängte im ganzen Ort Plakate mit Vorwürfen gegen den Lokalpolitiker auf. Unter anderem, dass er ein Betrüger sei. Verleumdet fühlte sich Danner dadurch nicht, aber genervt.

Lautsprecher auf Auto

Erst recht, als der Angeklagte begann, in der ruhigen Wohnstraße Danners Flugzettel auf die Straße und sein Grundstück zu schmeißen und ihm via einen auf seinem Auto montierten Lautsprecher Vorwürfe zu machen.

Telefonterror kann man S. nicht vorwerfen. An die in der Gemeindezeitung stehende Handynummer des Ortschefs sandte er in einem halben Jahr fünf SMS und sprach einmal auf die Mailbox. Reagiert habe er darauf nie, sagt Danner. Gelegentlich sei er S. auch nachgefahren: "„Um Beweismaterial zu sammeln."

Mit den Nerven sei er am Ende: "Ich leide an Schlafstörungen. Bevor ich ins Auto steige, kontrolliere ich alle vier Räder." Auf die Nerven geht der Zeuge aber auch der Richterin: Manche ihrer Fragen ignoriert er; als er den Angeklagten einmal sarkastisch ansprechen will, schlägt die Juristin gar auf den Tisch und ermahnt ihn.

Verleidetes Rotary-Treffen

Bei Norbert Klaus, dem Kremser Landesgerichtspräsidenten, ist das nicht notwendig. Seit Ende 2012 affichierte S. Plakate mit Amtsmissbrauchs-, Korruptions- und Alkoholismusvorwürfen rund um dessen Haus und Arbeitsstätte. Dazu hielt er sich hartnäckig in der Nähe auf. "Ich bin um einiges weniger fortgegangen, auch bei Treffen mit dem Rotary-Club hat er vor dem Lokal gewartet", schildert Klaus. Auch mit einer Wasserpistole sei er von S. bespritzt worden.

Wenig erbaulich fand er anonyme Geschenke in seinem Garten: Ein Osternest mit grünem Ei, Hundekot und einem Flugblatt war es einmal, ein Wildschweinkopf ein andermal.

Wiesflecker vertagt auf April. Sie will weitere Zeugen hören, vor allem aber ein psychiatrisches Gutachten. Ihre Vermutung: S. könnte sich so hineingesteigert haben, dass seine "Diskretions- und Dispositionsfähigkeit" eingeschränkt sei – er also nicht mehr ganz weiß, was er tut. Denn, wie sie feststellt: "Sie sind ja hier eine ruhige Person, also muss man auch eine mögliche Persönlichkeitsstörung untersuchen." (Michael Möseneder, DER STANDARD, 21.02.2014)