Als Elektronenwaage verwendeten die Physiker eine sogenannte Penningfalle: Ein Magnetfeld zwingt ein fünfach positiv geladenes Kohlenstoffion auf eine Kreisbahn. Aus der Umlauffrequenz lässt sich die Masse des Elektrons ermitteln.

Foto: Sven Sturm

Heidelberg - Elektronen bilden die Grundlage der Welt, wie wir sie kennen: Sie haben Einfluss auf Wechselwirkungen zwischen Atomen und Molekülen, halten die Bausteine der Materie zusammen und verleiht ihr die jeweils typischen Eigenschaften. Darüber hinaus ist die Masse des Elektrons möglicherweise eine fundamentale Konstante und hat damit Auswirkungen auf andere Parameter. Umso wichtiger ist es daher, diese Masse exakt zu erfassen - was alles andere als einfach ist.

Einer Gruppe von Forschern ist dieses Kunststück nun gelungen. Die Wissenschafter ermittelten die Masse des Elektrons 13 Mal präziser als bisher bekannt. Die im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Ergebnisse stellen eine möglichen Prüfstein für das physikalische Standardmodell dar und könnten sogar bei der Erforschung der Dunklen Materie einen Betrag leisten.

Dass Physiker die Masse des Elektrons nun auf elf Stellen hinter dem Komma genau kennen, ist wichtig, weil Elektronen praktisch überall mitmischen. Diese Teilchen, die nach heutigem Wissen keinerlei Ausdehnung besitzen, stellen also eine ungeheure Macht in der Natur dar. Mit ihrer Masse hängt unter anderem der Wert fundamentaler Naturkonstanten zusammen. Dazu zählt beispielsweise die sogenannte Feinstrukturkonstante: Diese Konstante bestimmt die Form und die Eigenschaften von Atomen und Molekülen.

Zentrale Größe im Standardmodell

"Sie beschreibt im Grunde alles, was wir sehen", sagt Klaus Blaum, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik, "denn sie spielt in der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie eine zentrale Rolle." Hätte die Natur den Elektronen eine nur etwas andere Masse verpasst, würden die Atome ganz anders aussehen. Eine solche Welt wäre wohl sehr fremdartig.

Die Masse des Elektrons fließt zudem als eine zentrale Größe in das sogenannte Standardmodell der Physik ein. Dieses Modell beschreibt drei der vier heute bekannten Grundkräfte der Physik. Obwohl es gut funktioniert, ist heute trotzdem klar, dass seine Gültigkeit begrenzt ist. Wo diese Grenzen des Standardmodells liegen, ist allerdings offen. Daher kann eine präzise Kenntnis der Elektronenmasse bei der Suche nach bisher unbekannten physikalischen Zusammenhängen entscheidend mithelfen.

Ultraempfindliche "Waage"

Um ein Elektron derart exakt zu "wiegen", bedarf es ausgesprochen sensible Instrumente. Diese extreme Empfindlichkeit veranschaulicht Projektleiter Sven Sturm an einem Beispiel: "Umgerechnet auf einen Airbus A-380 könnten wir allein durch Wiegen feststellen, ob eine Mücke als blinder Passagier an Bord ist."

Bei ihren Experimenten schickten die Physiker ein Kohlenstoff (C)-12-Isotop mir nur einem einzigen Elektron auf einen Rennkurs, den man sich als kreisförmig vorstellen kann. Eine sogenannte Penning-Falle zwingt mit ihrem extrem gleichmäßigen Magnetfeld das Kohlenstoffion auf diese Kreisbahn.

In einem zweiten Schritt erfassten die Physiker die Präzessionsbewegung des Elektronen-Spins. In Kombination mit dem sogenannten g-Faktor oder gyromagnetischer Faktor lassen sich Rückschlüsse auf die Elektronen Masse ziehen. Das Ergebnis ist eine ungeheuer präzise Zahl: Das Elektron wiegt demnach ein 1836,15267377stel der Protonenmasse. Will man seine Masse in Kilogramm umrechnen, kommt man auf unvorstellbare knapp 10-30 Kilogramm, also dreißig Nullen hinter dem Komma. (red, derStandard.at, 20.2.2014)