Was die Minderheit der liberalen Türken über ihren Staatschef denkt, steht in einem neuen Hashtag, einem Schlagwort, das sich innerhalb von Minuten auf Twitter verbreitet hat: #UnFollowAbdullahGul. Mit seiner Unterschrift unter das schnell zusammengestrickte Gesetz zur Internetzensur hat Gül alle jene enttäuscht, die auf den moderat auftretenden Präsidenten gehofft hatten. Gül sollte seinen politischen Weggefährten Tayyip Erdogan in die Schranken weisen – einmal wenigstens.

Gül, ein Mitbegründer der Regierungspartei AKP, wird auch das Gesetz zur Entmachtung des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte unterzeichnen, so ließ er bereits ­erkennen. 58 Prozent der Wähler hatten bei einem Verfassungsreferendum vor mehr als drei Jahren auch für die Reform dieses Selbstkontrollorgans der Justiz gestimmt, weil die Regierung Erdogan dafür geworben hatte. Doch mittlerweile passt die Reform dem Regierungschef nicht mehr. Korruptionsermittlungen sind dazwischengekommen, die Justiz zu selbstständig, das Internet zu frei geworden.

Gül nimmt nun hin, dass die Gewaltenteilung aus dem Lot kommt. Er sei kein Verfassungsgericht, sagt er. Die kleinen Änderungen, die der Präsident beim Zensurgesetz wünscht, soll die Regierungspartei nachträglich einfügen. Möglich, dass Abdullah Gül an seine politische Zukunft nach dem Ende seiner Amtszeit im August denkt. Doch auf dem Spiel steht die politische Zukunft der Türkei. (Markus Bernath, DER STANDARD, 20.2.2014)