Warum sind die so? Psychologie für Führungskräfte kann helfen.

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Führen lässt sich auf zweierlei Weise: autoritär oder durch Autorität. Aus heutigem Verständnis und Wissen entmündigt Ersteres nicht nur, es unterbindet – gerade dadurch – das, was den Unternehmenserfolg maßgeblich bewirkt und auf konkurrenzstarke Beine stellt: das von eigenen Überlegungen getragene Mitdenken und Mithandeln der Belegschaft. Vom Gegenwind des Wettbewerbs umtoste Unternehmen – und welches Unternehmen kann sich noch diesbezüglicher lauer Lüfte erfreuen? – tun folglich gut daran, auch mit Autoritäten in den Führungspositionen für die notwendige betriebliche Sturmfestigkeit zu sorgen.

Mit Personen, die nicht ausschließlich von der fachlichen Seite her ihr Handwerk beherrschen, ansehen und angehen, sondern die auch "ein Händchen" für die ihnen zu- und nachgeordneten Menschen haben. Für die, die das, was von "oben" gewollt und geplant wird, in Qualität, Aufwand-Ertrags-Verhältnis und nicht zuletzt auch im richtigen Timing Realität werden lassen. Es ist dieses auf einer Melange aus Achtung vor anderen, Fingerspitzengefühl, Intuition und Selbstdistanz fußende Empfinden einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller an einer Aufgabe Beteiligten, aus der Autorität erwächst.

Führungskräfte, die sich die Kraft solcher Autorität zunutze machen wollen, sollten folglich in einem doppelten Sinn kompetent sein: Neben solider Fachkompetenz, den Hard Skills, sollten sie gleichermaßen souverän mit Beziehungskompetenz, den Soft Skills, zu Werke gehen können. Gelingt ihnen das, bewirken sie durch das angenehmere Zwischenmenschliche nicht allein eine höhere Leistungswilligkeit der Geführten, sie steuern durch das entspannte emotionale Umfeld auch den ihnen möglichen Teil zu deren Gesundheit bei.

Gute Führung ist gut für die Gesundheit

Je emotional unbelasteter die Führung gelingt, desto geringer fallen auch die Ausfallzeiten infolge Krankheit aus. Gute Führung senkt die Krankheitsanfälligkeit. Und das nicht zuletzt dank einer geringeren Krankheitsbereitschaft. Bekanntermaßen wird ja die Flucht in eine Krankheit oft genug als Erholungspause von zermürbender Führung genutzt. Das abschätzige Hochziehen der Stirn mit dem dazugehörenden zweifelnden Blick, das sich noch recht häufig bei der Erwähnung des Nutzens psychologischer Grundkenntnisse in Vorgesetztenpositionen einstellt, zeugt gleichermaßen von Unwissenheit wie einer selbstgefälligen Überheblichkeit.

Sich der Erkenntnis zu verweigern, dass der zwischenmenschliche Umgang im Allgemeinen und bei der Menschenführung im Besonderen nahezu Psychologie pur ist, macht ein ohnehin schwieriges und oftmals geradezu hochheikles Unterfangen definitiv zu einer extrem absturzgefährdenden Übung. Was nun keineswegs heißt, dass die einzige Nachttischlektüre für Führungskräfte neben der Fach- die psychologische Literatur sein sollte. Die Anregung geht lediglich dahin, sich als Führungskraft vielleicht doch ein wenig ausführlicher sowohl mit den bestimmenden Faktoren menschlichen Agierens und Reagierens als auch den Voraussetzungen für menschliches Wohlbefinden zu befassen. Zum Wohle einerseits der leistungsfördernden persönlichen Handlungssicherheit als Führungskraft wie andererseits auch der Leistungs- und Lebensfreude aller Beteiligten.

Wer Versäumtes nachholen und in Vergessenheit Geratenes in einem ersten Anlauf auffrischen will, hat mit dem Taschenbuch des französischen klinischen Psychologen, Psychotherapeuten und Executive Coach Patrick Amar – bis auf die für deutschsprachige Leser unbrauchbaren Literaturempfehlungen – eine empfehlenswerte Gelegenheit dazu. Eingängig in der Sprache, in aller Kürze und zwangsläufigen Vereinfachung zum Trotz in den Sachbezügen kompetent informierend sowie in der Breite der angesprochenen Themen ausreichend angelegt vermittelt es praktische Einsichten in die über gutes und weniger gutes Führungshandeln entscheidenden psychologischen Einflussgrößen.

Amar gliedert seine Ausführungen in drei zentrale Abschnitte: Das Selbstbild des Managers; der Manager und die Gruppe; der Manager und das Unternehmen. Diese Fokussierung auf die ausschlaggebenden Denk- und Handlungssegmente im Führungsalltag wird in insgesamt 32 kurzen Kapiteln abgearbeitet. In deren Mittelpunkt stehen die klinische Psychologie, die Sozialpsychologie und die Arbeitspsychologie. In seinem Grundgedanken folgt das Buch der Überlegung, dass es für die Entwicklung zu einer von den Geführten anerkannten Führungspersönlichkeit wichtig ist, sich selbst besser kennenzulernen und die anderen sorgfältiger wahrzunehmen. Und dass dazu Grundkenntnisse der von der Psychologie unter unterschiedlichen Aspekten angebotenen Wissensinhalte unverzichtbar sind. (DER STANDARD, 22./23.02.2014, Hartmut Volk)