Aussehen ist niemals eine gottgegebene Sache, sondern immer verbesserungswürdig. Nur Kinder finden sich uneingeschränkt schön, spätestens mit der Pubertät beginnen die selbstkritischen Blicke - vorbei ist die Zeit des unbelasteten Daseins. Vorbei die süße Selbstzufriedenheit. In Südkorea dürfte das Bedürfnis der Frauen, vermeintliche Schönheitsfehler zu korrigieren, ganz besonders groß sein, denn dort werden laut Studien durchschnittlich elf (!) unterschiedliche kosmetische Produkte pro Tag verwendet.
Vielleicht ist diese Vielfalt auch der Grund, warum gerade dort BB-Cremen und ihr Prinzip "Eine für alles" erfunden wurden. BB (sprich "Bibi") steht für "Beauty Balm" oder "Blemish Balm" und meint im Grunde eine getönte Tagescreme, die Pickel und Flecken abdeckt und auch einen Sonnenschutz mitintegriert hat. Die Sonne und ihre Pigmentflecken erzeugende Wirkung ist in Asien gefürchtet. Jedenfalls wurde das Land für Produktentwickler wie Charles Finanz de Villaine, internationaler Marketingleiter von Garnier Skincare, zu einer Inspirationsquelle. Er hat als Erster die BB-Cremen aus Asien in den L'Oréal-Konzern gebracht.
Kraft in der Kapsel
"Hinter BB-Cremen steckt eine neue Technologie. Die Farbpigmente sind in feine Mikrokapseln verpackt, die erst aufplatzen, wenn sie mit der Wärme der Haut in Berührung kommen", erklärt er. Das unterscheidet das Produkt auch von den bisher dominierenden, getönten Tagescremen. Ohne die neue Technologie würden sich Feuchtigkeit, Pigment und Sonnenschutz einfach zu keiner in Konsistenz und Qualität angemessenen Creme mischen lassen.
Und weil sich die BB-Cremen wie die warmen Semmeln verkauften, hatten bald sämtliche L'Oréal-Marken ihre BB-Varianten, und auch die Konkurrenz sprang auf. Sich in der schnelllebigen Welt internationaler Konzerne auf den Lorbeeren auszuruhen ist allerdings keine Option. Weil die Idee, Cremen nach Buchstaben zu benennen, so gut funktioniert hatte, knüpfte man daran an. Chanel leistete Pionierarbeit und brachte (vielleicht, weil sie sehr gut zum Markennamen passten) die CC-Cremen auf den Markt. Zuerst in Asien, dann in Europa. CC steht für "Color Correction" oder "Complexion Correction".
Mit Komplexen im psychologischen Sinne hat das nur indirekt zu tun. CC-Cremen sollen die schon etwas ältere und damit "buntere" Haut wieder in den Zustand von Ebenmäßigkeit versetzen - vor allem Rötungen von geplatzten Äderchen ausgleichen. CC-Cremen (man spricht es "Sisi" aus) enthalten neben den schon bekannten Pigmentkapseln auch grüne Anteile, die - der allgemeinen Farblehre folgend - Rötungen neutralisieren können. Dazu sind in diesen Cremen zusätzlich auch noch ein bisschen Schimmerpartikel gemischt, UV-Schutz und die eine oder andere Anti-Aging-Substanz aus dem Faltenbekämpfungsarsenal: etwa Hyaluron oder Vitamin C. Das Eine-für-alles-Prinzip wurde auch bei CC-Cremen wohlweislich beibehalten.
Die Sehnsucht nach Einfachheit
Die Superwoman unter den Cremen macht nicht nur Kundinnen, sondern auch Konzerne ziemlich froh. Hatte L'Oréal bei den BB-Cremen die Nase vorn, so war Estée Lauder in der CC-Welt schneller, jetzt muss L'Oréal wieder aufholen. "Es ist die Sehnsucht der Frauen nach Einfachheit", sagt Finanz de Villaine. Der Trend freut auch den Handel. In der Parfümeriekette Douglas etwa hat man sich kurzerhand entschlossen, sowohl BB-Cremen als auch CC-Cremen als Eigenmarken zu produzieren. Man reagiere auf Bedürfnisse, heißt es aus der österreichischen Zentrale.
Die Alphabetisierung der Kosmetik schreitet voran. Dass DD schon für Körbchengrößen von Büstenhaltern belegt ist, scheint die Produktentwickler nicht zu genieren. DD in Cremen steht für "Dynamic do-all" und soll das Schminken vereinfachen. DD-Cremen vereinen Primer (Grundierung vor dem Make-up), Foundation, Concealer (Abdeckstift) und Sonnenschutz. Das ist dann aber eigentlich Schminken aus dem FF (Effeff). Bis zur ZZ-Cremen ist es noch ein langer Weg, die Kreativität des Kosmetikmarketings hat freie Fahrt. (Karin Pollack, Rondo, DER STANDARD, 21.2.2014)