Und wieder stellten sich Faymann und Spindelegger nicht beim Pressefoyer nach dem Ministerrat und schickten die Zweitbesetzung. Sie haben keine Lust, sich mit Fragen herumzuschlagen, auf die sie keine Antworten haben, ist die logische Schlußfolgerung.

Österreichs politisches Führungspersonal wirkt irgendwie gestrig, uninspiriert, den Herausforderungen der Zeit nicht gewachsen - und ist es großteils auch. Auch früher waren keine Titanen am Werk, allerdings doch Politiker, die Großvorhaben - Sanierung der verstaatlichten Industrie, EU-Beitritt - erfolgreich durchzogen. Aber seit etlichen Jahren herrschen nur noch zwei Prinzipien: Populismus und Klientelismus.

Die jetzige Politikergeneration hat beides verinnerlicht. Ohne populistische Versprechungen, ohne Schielen nach der "Volksmeinung" glauben sie nicht mehr regieren zu können, das übergeordnete Prinzip ist stets, "wie das ankommt", und nicht, was die Substanz ist. Natürlich müssen manchmal Entscheidungen in der Substanz getroffen werden, aber die versucht man dann "dem Volk schmackhaft zu machen" oder hinauszuschieben und zu verwässern. So ist das Hypo-Alpe-Adria-Debakel post Haider entstanden.

Niemand wagt es mehr, nicht-populistisch zu agieren. Auch nicht, nachdem die Populisten und Publikumslieblinge, die Heilsversprecher und Schwiegermütter-Herzbuben erbärmlich aufgeflogen sind. Es war ja nicht nur Haider - man erinnere sich nur an Karl-Heinz, den einstigen Götterliebling. Man war in Gefahr, der Lynchjustiz anheimzufallen, wenn man ihn hinterfragte. Stronach weilte zu kurz unter uns, um viel anzurichten - außer beim Glauben an die Demokratie. Und Strache? Er ist in seinem politischen Stil und Inhalt ein genaues Abziehbild von Haider, aber viele fallen unbeirrt auch auf ihn herein. Der Österreicher wird durch Erfahrung dumm, sagte Karl Kraus.

Faymann und Spindelegger sind wenigstens keine Scharlatane. Aber sie sind, Verzeihung, auch keine großen Gestalter. Ihre Politik besteht aus: Probleme verniedlichen, Lösungen verschieben und, wenn es gar nicht mehr geht, Steuern erhöhen. Beide wissen, dass sie zu richtigen Populisten nicht das Zeug haben (Faymann hilft sich, indem er den populistischen Zeitungen die Millionen hineinschiebt). Beide fallen aber mangels breiterem Wählerappeal auf die Kernklientel zurück: Öffentlich Bedienstete und Pensionisten, im Fall der ÖVP auch noch die Bauern. Um den großen Rest kümmern sie sich nicht mehr.

Populismus und Klientelismus als vorherrschende politische Prinzipien - das prägt eine ganze Politikergeneration. Unangenehme Wahrheiten aussprechen, dem Volk etwas zumuten, das hat erstens der Spindoktor verboten, und zweitens haben das die Mächtigen im Hintergrund, die Landesfürsten, auch nicht so gerne. Noch funktioniert das Land halbwegs, noch erarbeitet eine leistungsfreudige Mittelschicht den zu verteilenden Wohlstand. Sie beginnt aber die Geduld zu verlieren. Es geht nicht nur das Vertrauen verloren, sondern - fast ärger - der Respekt. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 19.2.2014)